Bildschirmpause erforderlich?

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Woran erkennt man eine suchthafte Internetnutzung? Und warum sollten Eltern ihr Handy weglegen, wenn sie mit Kleinkindern spielen? Antworten von Suchtpräventions-Experten Benjamin Kircher von VIVID – Fachstelle für Suchtprävention. Für einen gesunden Konsum von Online-Medieninhalten (soziale Medien, Pornografie, Gaming etc.) setzt sich auch die neue Kampagne #gesundonline ein. Steiermarkweit gibt es 95 Anlaufstellen in allen Bezirken, die Unterstützung bieten.

Rund 5,5 Stunden täglich nutzen Jugendliche in der Steiermark in der Freizeit digitale Geräte. Ein Drittel der Jugendlichen zeigt Anzeichen einer Suchtgefährdung, bei Erwachsenen sind es neun Prozent [1]. Umso wichtiger ist es daher, Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
In der Steiermark gibt es derzeit 95 Anlaufstellen in allen Bezirken, die bei Fragen zur gesunden Internetnutzung weiterhelfen. Hier finden Sie das gesamte Angebot: www.gesund-informiert.at/gesundonline

„Internetsucht“?

„Nicht das Internet macht abhängig, sondern ein bestimmtes Verhalten“, erläutert Benjamin Kircher von VIVID – Fachstelle für Suchtprävention. Kircher ist Sozialarbeiter, absolviert berufsbegleitend eine Ausbildung zum Psychotherapeuten und arbeitet im Schwerpunkt Medien/Computerspiele/Social Media. „Abhängig werden können wir von Dingen, die wir im Internet tun. Daher sprechen wir auch vom Suchtverhalten im Internet.“

Grenzen sind fließend

In Zeiten, in denen man sich noch über ein Modem in das Internet einwählte, gab es eine klare Trennung zwischen Online- und Offline-Zeit. In Zeiten von Smartphones und Co. gibt es diese Grenze nicht mehr. „Das per se ist aber nicht das Problem“, ist Kircher überzeugt. „Es ist heute einfach normal, dass man sich sowohl online als auch offline informiert, unterhaltet, Spiele spielt etc.“

Auch eine strenge „Zeitgrenze“, ab der ein suchthaftes Verhalten beginnt, lässt sich nicht definieren. „Entscheidend ist, ob ich andere Dinge vernachlässige wie Schlaf, Körperpflege, Essen, Treffen mit Freunden. Oder ob ich zunehmend Schwierigkeiten habe, dem Schulunterricht zu folgen oder meine Arbeit zu bewerkstelligen, weil ich die halbe Nacht am Handy war“, nennt Kircher Beispiele. Ein weiterer Aspekt, der auf suchthaftes Verhalten hindeutet, ist der Kontrollverlust. „Ich will es nicht, weil ich weiß, dass es mir nicht guttut. Aber ich mache es trotzdem.“

Risiko reduzieren – kein Handy neben Kleinkindern!

„Prävention beginnt schon mit der Geburt“, betont Kircher. „Kleinkinder unter drei Jahren benötigen keine digitalen Geräte. Auch als Elternteil sollte man nicht aufs Handy schauen, wenn man in Kontakt mit dem Kind ist. Für Kleinkinder heißt es nämlich, das Handy ist in dem Moment wichtiger als ich.“ Kinder haben dann das Gefühl, das Handy sei eine „Konkurrenz“ im Kampf um die Aufmerksamkeit der Eltern.

Was können Eltern und Angehörige tun?

„Das Wichtigste für Eltern ist, für das Kind präsent zu sein und medienfreie Räume zu schaffen“, fasst Kircher zusammen und nennt Beispiele: gemeinsame Ausflüge, handyfreie Zeiten im Alltag (z. B. beim Essen), eine „Familienladestation“ (alle Familienmitglieder legen ihre Handys ab z. B. 19 Uhr am Abend in die Ladestation und da bleiben sie die Nacht über).

  • Internetnutzung sollte auch nicht als Belohnung oder Strafe eingesetzt werden. „Dadurch bekommen Medien mehr Bedeutung, als sie eigentlich haben sollten.“
  • „Es sollte ganz klare, altersadäquate Regeln für die Internet- und Handynutzung geben“, verweist Kircher auf den erforderlichen Rahmen.
  • Erwachsenen, die bei Freunden einen übermäßigen Internetkonsum bemerken, empfiehlt er ein offenes und wertschätzendes Ansprechen. „Nicht missionieren, sondern wertschätzend und auf Augenhöhe.“ Beispiele wären „Ich finde es nicht sehr angenehm, wenn du dauernd aufs Handy schaust, wenn wir uns treffen“ oder von eigenen Erfahrungen zu berichten, etwa dass man das Handy am Abend auf Flugmodus schaltet und das hilft, ruhiger zu schlafen. Oder dass es sehr gut getan hat, mal ein Wochenende ohne Handy zu verbringen.

Unterstützung holen – Online-Info & Kontakt in allen Bezirken

Wenn man als Eltern oder Angehörige, aber auch als Betroffene oder Betroffener selbst das Gefühl hat, der Internetkonsum nimmt einen zu großen Raum im Alltag ein, kann man sich Unterstützung holen. Je früher, desto besser.

  • Alle steirischen Suchtberatungsstellen stehen kostenlos als Ansprechpartner zur Verfügung, speziell für die Prävention VIVID – Fachstelle für Suchtprävention.
  • Hilfreiche Infos zum gesunden Umgang mit dem Internet im Allgemeinen sind auf www.gesund-informiert.at/gesundonline zu finden.
  • Dort gibt es auch eine Übersicht an Hilfsangeboten (Beratungsstellen, Psycholog*innen) mit Expertise zum Thema Mediennutzungsstörung (inkl. Schwerpunkte) in allen steirischen Bezirken. Informiert wird auch, ob die Angebote kostenlos, teilweise erstattungsfähig oder nicht erstattungsfähig sind.

[1] Quellen: x-sample. Prävalenzschatzung und Strategieentwicklung zur suchtassoziierten Internetnutzung in der Steiermark (2023) und Lederer-Hutsteiner, T.: Prevalence and Correlates of Internet-related Addictive Behaviour among Styrian Pupils. Dissertation. Medical University of Graz. Graz, Austria (2025)