Folge #71 Gesund informiert in der Dialogwoche Alkohol: Wie viel, ist zu viel?
In der neuen Folge geht es um die Dialogwoche Alkohol, die in der ersten Maiwoche in Österreich stattfindet. Gesundheitseinrichtungen wollen dabei auf den Umgang mit Alkohol aufmerksam machen. Zwei Expertinnen informieren zu diesem Thema.
In der Folge #71 erfahren Sie, warum es das „gesunde Achterl“ eigentlich nicht gibt, wie man den eigenen Alkoholkonsum hinterfragen könnte, dass wir in Österreich in einem sogenannten Hochkonsumland leben und vor allem welche Auswirkungen Alkohol auf unseren Körper hat. Außerdem empfehlen die Expertinnen alkoholfreie Alternativen, die seit einigen Jahren auch zunehmend die Regale in den Supermärkten füllen.
Gäste:
Claudia Kahr von der Suchtpräventionsstelle VIVID und Bianca Heppner, zuständig beim Gesundheitsfonds für Alkoholprävention
„Gesund informiert“ ist eine Zusammenarbeit zwischen ORF Steiermark und Gesundheitsfonds Steiermark.
Redaktion und Stimme: Fanny Sedlnitzky
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Hören Sie kurz in die Folge hinein!
Text zur Folge
Willkommen bei Gesund informiert, der Gesundheitspodcast. Eine Zusammenarbeit von Gesundheitsfonds Steiermark und ORF Steiermark. Fanny Sedlnitzky liefert wertvolle Antworten in unserem rezeptfreien Podcast. Heute mit Bianca Heppner, Expertin für Alkoholprävention und Claudia Kahr von der Präventionsstelle Vivid.
In unserer neuen Folge unseres Gesund informiert Podcasts beschäftigen wir uns mit der Dialogwoche Alkohol. Die Anfang Mai in Österreich stattfindet. Ja, und was heißt das? Das heißt natürlich nicht, dass wir uns jetzt alle eine Woche lang mit ein paar Gläschen Alkohol gemütlich hinsetzen. Nein, wir wollen ein bisschen aufklären, was hat es denn mit dem Alkohol auf sich? Wie schaut's aus in Österreich? Trinken wir zu viel und wie können wir unseren Alkoholkonsum einschränken oder vielleicht überhaupt streichen? Dazu habe ich zwei Gäste bei mir zu Besuch. Ich begrüße Claudia Kahr.
Hallo, vielen Dank für die Einladung.
Und Bianca Heppner.
Ja, grüß Gott. Ich freue mich sehr, da zu sein. Vielleicht einmal ganz kurz erklärt, warum wir gerade Sie beide eingeladen haben heute. Sie sind von der Fachstelle Vivid, die Claudia Kahr, und Bianca Heppner, Sie sind vom Gesundheitsfonds. Wieso kennen Sie sich mit dem Thema Alkohol aus? Ja, ich leite Vivid, die Fachstelle für Suchtprävention und wir informieren, beraten und unterstützen zu allen Fragen der Suchtvorbeugung, also auch zum Thema Alkohol und ich darf gemeinsam mit meiner Kollegin aus Wien die österreichische Dialogwoche Alkohol koordinieren
Was das genau ist, diese Dialogwoche Alkohol. Das werden wir heute noch klären. Bianca Heppner, der Gesundheitsfonds, der kümmert sich um alle Belange unserer Gesundheit. Zur Gesundheit zählt auch der Alkohol oder eigentlich das Weglassen des Alkohols.
Das stimmt. Genau. Wir haben die Kampagne „Weniger Alkohol, mehr vom Leben“, die darauf abzielt, die Steirerinnen und Steirer zu einem verantwortungsbewussten Konsum zu gewinnen. Das heißt, möglichst attraktiv mit wenig Zeigefinger darauf die Leute hinzustoßen, wie das Leben schön werden kann, ohne Alkohol beziehungsweise mit weniger Alkohol.
Nachdem wir in diesem Podcast jetzt über die Alkoholprävention reden, gibt es offensichtlich Bedarf in Österreich. Das heißt, es gibt den Alkoholkonsum und der ist, wenn man sich Zahlen anschaut, gar nicht so niedrig in Österreich.
Ja, das stimmt. Also Österreich ist ein Hochkonsumland oder alkoholtolerantes Land, je nachdem, wie man sagen möchte. Und in Österreich trinken circa eine Million Menschen im gesundheitsgefährdenden Ausmaß. Jede und jeder hat eine Herausforderung beim Trinken und das bedeutet gleichzeitig alle von uns, auch die Zuhörerinnen da draußen und Zuhörer, kennen jemanden, der eine Herausforderung hat mit dem Alkohol.
Aber es ist ein bisschen so in Österreich, es gehört ja zum Leben dazu. Man trinkt Bier, man trinkt Wein. Wir produzieren auch sehr viel Bier und Wein. Es ist ein bisschen schwierig, sich jetzt vorzustellen, dass wir das alles einschränken sollten in Österreich. Wie schaut's aus in der Suchtprävention?
In Österreich kommen ja zwei Alkoholkulturen aufeinander. Die nordische Kultur, die eher üblicherweise selten trinkt, aber dann sehr viel. Und die südliche Kultur in Europa, die zwar zu jedem Essen trinken, aber dann maximal ein Glas. Man sagt ja auch in Österreich treffen sich diese beiden Kulturen. Wir können sehr gut oft und auch manchmal sehr viel trinken. Und eine große Aufgabe der Vorbeugung ist es, diese Norm zu hinterfragen und auch Schritte zu setzen, diese Norm zu verändern mit alternativen Angeboten. Kann man denn präventiv arbeiten, was den Alkohol betrifft? Was macht man da?
Ja, alles beginnt mit Information. Uns ist es wichtig, dass Menschen wirklich eine sachliche klare Information haben. Weiters müssen wir wissen, warum wir trinken. Das heißt, viele Menschen trinken Alkohol gegen Stress, um Probleme zu lösen, gegen Langeweile. Wenn mir die Funktion des Alkohols klar ist, dann kann ich sie auch ändern. Der Alkohol hat keinen besonders schlechten Ruf in Österreich. Also, das ist nicht so wie mittlerweile Nikotin, Tabak oder auch andere Drogen. Man genießt gerne, man genießt vielleicht dann auch etwas zu viel. Dieser Ruf des Alkohols, der in Österreich ja ein bisschen auch zu unserer Kultur dazugehört, muss man den ändern?
Es ist einfach wichtig und dann nutzt man auch die Dialogwoche Alkohol, um sein eigenes Trinkverhalten einmal zu reflektieren. Das bedeutet, wann trinke ich? Mit wem, wie viel? Und da gibt's aber einfache, würde ich sagen, Tipps oder Tricks, wie man den Alkoholkonsum auch reduzieren kann, weil mittlerweile wissen wir, es gibt keine gesunde Menge Alkohol. Das bedeutet, je weniger Sie trinken, desto besser ist es für Ihre Gesundheit.
Das heißt, also das gesunde Achtel, von dem man so oft spricht, das gibt's eigentlich nicht.
Ja, das ist ein bekannter Mythos. Ein Glas Rotwein ist gut fürs Herz. Nein, Faktencheck kurz. Genau. Dieses Glas Rotwein ist dann wiederum schlecht für die Leber. Auch dieses Glas Rotwein geht einher mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Also muss man da vorsichtig sein. Heute zu Gast bei Gesund informiert, dem Gesundheitspodcast, Bianca Heppner, Expertin für Alkoholprävention und Claudia Kahr von der Suchtpräventionsstelle Vivid.
Stichwort Dialogwoche Alkohol. Sie haben es schon angesprochen und wir haben ganz kurz am Anfang schon gesagt, dass wir uns ein bisschen dem widmen wollen. Warum braucht es in Österreich diese Dialogwoche? Warum wird die veranstaltet oder beziehungsweise wer steckt denn da dahinter.
Die Dialogwoche Alkohol ist in Österreich eine Initiative der österreichischen Arbeitsgemeinschaft Suchtvorbeugung. Das ist der Zusammenschluss der Suchtpräventionsstellen in Österreich, die gemeinsam mit dem Dachverband der Sozialversicherungsträger und dem Fonds Gesundes Österreich diese Dialogwoche veranstalten. Sie findet alle zwei Jahre statt und hat zum Ziel, wirklich sachlich zu informieren, Menschen dazu zu bewegen, ihren Alkoholkonsum mit unterschiedlichsten Veranstaltungen zu hinterfragen und dann eben auch neu und bewusst zu entscheiden. Das Motto ist „Weniger Alkohol, mehr vom Leben“, weil wir einfach der Meinung sind, jeder kann etwas gewinnen, wenn er seinen Alkoholkonsum reduziert
Ist das jetzt die Keule, mit der wir den Österreicherinnen und Österreichern sagen wollen, trinkt nie mehr?
Nein, das ist überhaupt nicht unser Anspruch, Alkohol zu verteufeln. Es geht wirklich um gut informierte Entscheidungen und um ein Bewusstsein. Die Mythen halten sich in Österreich. Alle glauben, es gibt eine gesunde Menge und es ist wichtig zu wissen, es gibt keine sichere Menge und man muss sich den Alkoholkonsum vorstellen wie auf einem Risikokontinuum: je mehr Alkohol oder je öfter ich ihn trinke, desto größer wird mein Erkrankungsrisiko. Das heißt, das Ganze geht auch in die gegensätzliche Richtung. Auch wenn ich nur wenig reduziere, tue ich etwas für meine Gesundheit.
Aber das ist ja alles in weiter Ferne. Wenn ich heute ein Glas trinke, denke ich noch nicht an Herz-Kreislauf-Probleme. Wie kann man denn die Menschen ein bisschen dazu motivieren, das Ganze doch ein bisschen ernster zu nehmen? Weil wie schon erwähnt, es ist Teil unserer Kultur, es ist sehr schwierig. Wenn ich jetzt zurückdenke, das Thema Rauchen, wenn wir vor 20 Jahren jemanden gesagt hätten, es wird in einem Gasthaus nicht mehr geraucht und das Rauchen wird überhaupt verteufelt werden, dann hätte jeder gelacht. Es war lächerlich. Ja, man hat sich es nicht vorstellen können. Wer weiß, wo wir mit dem Alkohol in 20 Jahren stehen. Vielleicht denken wir dann auch ähnlich darüber nach, wie sehr uns dieser Alkohol schaden kann. Aber im Moment ist es einfach schwierig. Wie kann ich die Menschen dazu motivieren, ihr Alkoholverhalten ein bisschen zu hinterfragen, weil es ist ja nur ein Gläschen.
Ich glaube, es gibt Fakten. Alkohol ist ein Zellgift. Er wirkt aktivierend und euphorisierend. Er wirkt beruhigend, auch enthemmend, angstlösend und schmerzlindernd. Deshalb funktioniert er ja auch so gut, wenn ich ihn als Problemlöser brauche. Aber Alkohol ist mitverantwortlich für insgesamt und mehr als 200 Erkrankungen, die er verursachen kann und er gehört mit zu den fünf Hauptrisikofaktoren, wenn es um die Entstehung von Krankheiten oder auch um vorzeitige Todesfälle geht. Das sind einfach wirklich die Fakten und für mich ist immer auch wichtig, gerade wir Frauen sollten auch noch ein bisschen genauer hinschauen, denn Alkohol wirkt bei Frauen unterschiedlich. Wir haben einfach einen größeren Körperfettanteil. Das heißt, bei uns löst sich Alkohol nicht so gut. Wir haben eine höhere Blutalkoholkonzentration. Wir machen ein Enzym weniger in der Leber. Wir brauchen viel länger, bis wir Alkohol abbauen. Sind dadurch auch gefährdeter, eine Lebererkrankung zu bekommen. Und ich finde es wichtig auch zu wissen, dass Alkohol den Hormonhaushalt durcheinanderbringt, vor allem den Östrogenstoffwechsel. Das heißt, er kann Wechselbeschwerden verschlimmern und erhöht eindeutig das Risiko für Brustkrebs oder auch für Osteoporose und da ist es schon ein Glas, das manchmal das Risiko erhöht und ich finde, das sollten wir Frauen wissen.
Ich wollte noch ergänzen, es gibt ja auch viele Vorteile von weniger Alkohol. Vielleicht schauen wir mal auf die, weil jetzt haben wir doch einige Risiken gehört. Alkohol trocknet die Haut aus. Das wissen wir spätestens seit Covid mit Desinfektion und so weiter. Das heißt, wenn ich weniger Alkohol trinke, wird meine Haut elastischer. Ich habe ein schöneres Hautbild, Glow inside out sozusagen. Alkohol hat viele Kalorien. Trinke ich weniger Alkohol, tue ich mir leichter beim Abnehmen und ich schlafe auch besser, weil Alkohol in der Regel die Tiefschlafphasen reduziert. Das bedeutet, ich schlafe womöglich schneller ein, aber ich wache öfter auf und das hat natürlich auch Auswirkungen auf mein Erscheinungsbild. Und wenn es um die Konzentration geht, ist eh völlig klar, wenn ich weniger Alkohol trinke, kann ich mich gut konzentrieren, bringe eine bessere Arbeitsleistung und kann den Alltag leichter schaffen.
Das ist für all jene schwierig, die genau das eigentlich als Vorwand nehmen. Der Alkohol entspannt sie, der Alkohol hilft beim Verdauen. Der Alkohol macht einen angenehmen Abend nach einem stressigen Tag. Alles Mythen,
wie Frau Kahr vorher schon gesagt hat, das stimmt schon. In einer kleinen Menge funktioniert das genauso wie Sie gesagt haben. Allerdings ist es ein bisschen eine Herausforderung mit den Mengen. Das bedeutet, wir haben gerade gehört, kein Alkohol ist gut. Das heißt, je weniger Sie trinken, desto besser ist es. Wir sprechen von einem wenig gesundheitsgefährdenden Bereich, wenn Sie zum Beispiel ein Bier pro Tag trinken. Das hängt ein bisschen davon ab, ob Sie Frau sind oder Mann und dann kommt der Knackpunkt. Wenn ich nämlich drei Biere pro Tag trinken würde, dann geht es schleichend sehr solide und schnell. Da ist Alkohol verlässlich, dass ich mich in eine Teufelsspirale begebe und in den suchtgefährdeten Bereich komme.
Bei den Rauchern sagt man immer, wenn man die Zigaretten weglegt, regeneriert die Lunge sofort und nach einigen Jahren hat man wieder die Chance, eine Lunge eines Nichtrauchers zu haben. Wie ist es denn beim Alkohol, wenn ich jetzt sage, ich habe jetzt jahrzehntelang eigentlich zu viel getrunken, wenn man so zurückdenkt? Die neue Bewegung, die man jetzt ja auch spürt, auf die wir noch zu sprechen kommen, dass man immer mehr alkoholfreie Varianten auch anbietet, die lässt vielleicht den einen oder anderen umdenken und der sagt jetzt: "Okay, ich höre auf zu trinken oder ich trinke wirklich nur mehr reduziert." Reduziert sich dadurch dann auch das Risiko, an verschiedenen Krankheiten zu leiden?
Genau. Das Risiko ist ein Kontinuum in jede Richtung. Je mehr und je öfter ich trinke, dann steigt mein Risiko für Erkrankung. Je seltener und weniger ich trinke, so kann ich mein Risiko eindeutig reduzieren.
Das geht auch wieder zurück. Gute Botschaft. Wenn man aufhört, sozusagen hat man die Chance auf ein gesundes, langes Leben.
Die Leber verzeiht sehr viel, das ist überraschend. Ja, die erholt sich relativ gut in kurzer Zeit.
Um Menschen von etwas wegzubringen, muss man ihnen eigentlich immer Alternativen bieten. Also, man kann jetzt nicht sagen, der Alkohol kommt jetzt weg. Es ist alles furchtbar, alles schlecht und ihr dürft das jetzt nicht mehr, weil für viele ist es doch, wie schon erwähnt, ein Achtel am Abend ein Genuss. Was kann ich anbieten, um diesen Genuss zu ersetzen? Wozu kann ich die Menschen überreden? Was gibt es da mittlerweile? Es wird immer mehr das Regal an Alternativen.
Die Palette ist immer größer werdend. Das ist wirklich ein Vorteil für uns. Es gibt mittlerweile in gewissen Geschäften eigene Regale, die nur „No-Low“-Produkte anbieten. Das bedeutet, da ist sehr wenig Alkohol drinnen oder kein Alkohol und angefangen von Eistee über Hydrolate, das ist ein Pflanzenwässerchen, über alkoholfreies Bier, das mittlerweile sehr gut schmeckt. Also, ich weiß, am Anfang war das eher schwierig, aber man erkennt kaum den Unterschied, hin zu alkoholfreiem Wein bis zu Verjus zum Beispiel. Das ist eine Variante, die man statt Sekt einmal probieren kann. Gibt's alles auch diese sogenannten Non-Alkohols, die so schmecken wie Alkohol, zum Beispiel Gin in alkoholfreier Variante mit Tonic und einer Zitrone in einem wunderschönen Glas. Man schmeckt den Unterschied nicht und das ist als Gastgeber finde ich wichtig und fast ein bisschen Pflicht, mittlerweile auch eine attraktive Alternative für alle jene zu haben, die keinen Alkohol trinken möchten.
Stimmt. Ich finde es immer ein bisschen traurig, wenn man ein gutes Essen vor sich hat und man kriegt ein Glas Wasser serviert, nur weil man keinen Alkohol trinkt. Also, da gibt es mittlerweile Varianten und Alternativen, die wie die Schwammerl aus dem Boden kommen.
So ist es. Und man muss aber gar nicht immer groß einkaufen gehen dafür. Diese altbewährten Säfte, die die Oma schon immer gemacht hat, Hollersaft zum Beispiel mit Soda aufgespritzt, wiederum eine Zitrone rein und ein Büschel Minze. Und ich habe einen Virgin Mojito wunderbar serviert in einem Glas, in einem schönen. Da komme ich als Gastgeberin nicht in Verlegenheit und habe für all jene was im Angebot, die gerne keinen Alkohol trinken möchten und die werden auch immer mehr.
Die werden mehr, aber dennoch habe ich das Gefühl, es ist noch ein bisschen schwierig zu sagen, ich trinke nicht. Es ist bei der Zigarette einfacher zu sagen, nein, danke, ich rauche nicht. Jeder, der einem eine Zigarette anbietet, steckt sie wieder weg. Beim Alkohol wird man doch noch immer überredet. „Geh komm, ein Achtel, komm jetzt, trink, sei nicht zu fad.“ Das ist für die Suchtprävention mehr als kontraproduktiv. Was muss denn passieren, dass wir das anders betrachten?
Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir die Norm verändern. Es ist nicht normal, Alkohol zu trinken, denn es sollte die Ausnahme sein, Alkohol zu trinken. Und es sollte gute alternative Angebote geben. Es ist so, wenn man sagt, man hat zu rauchen aufgehört, sagen alle: "Gratuliere", wenn man sagt, man trinkt keinen Alkohol, alle: "Warum?".
Und ich denke, es sollte nicht notwendig sein, dass man einen Grund braucht, um keinen Alkohol zu trinken. Es sollte einfach möglich sein zu sagen, ich trinke keinen oder ich trinke heute keinen Alkohol und ich möchte gerne eine gute Alternative haben in einem schönen Glas und ich bin ein absoluter Fan von dem Satz: Es ist nicht so wichtig, womit man anstößt. Viel wichtiger ist es, mit wem man anstöße.
Heute zu Gast bei Gesund informiert, dem Gesundheitspodcast, Bianca Heppner, Expertin für Alkoholprävention und Claudia Kahr von der Suchtpräventionsstelle Vivid.
Wenn ich mich dazu entscheide, weniger zu trinken, was macht denn Sinn, wenn ich sage, ich habe mir am Abend dreimal die Woche ein Gläschen gegönnt. Macht es denn Sinn, zumindest eines davon einmal zu streichen.
Es macht in jedem Fall Sinn, meinen Alkoholkonsum mal ehrlich zu überprüfen. Dazu gibt es Trinktagebücher. Ich kann mal mitschreiben. Oft passiert es nämlich sehr unbewusst, dass schon wieder ein Bier vor mir steht. Das heißt, ich schreibe einfach mal eine Zeit lang mit, wann in welcher Situation trinke ich, wie viel.
Und anschließend gibt es inzwischen online viele Tools, auch auf der Webseite Dialogwoche Alkohol, dass ich einen Test machen kann, wie viel ich trinke und es gibt Tools, die mir bei der Selbsthilfe helfen, meinen Alkoholkonsum zu reduzieren. Da werde ich zwischendurch motiviert und wenn ich wirklich bemerke, es fällt mir wahrlich schwer und es gelingt nicht alleine, dann gibt es kostenlos und anonym viele Beratungsstellen auch in der Steiermark. Das vielleicht auch ein wichtiger Hinweis, man trinkt so dahin, man hat das Gefühl, ich bin kein Alkoholiker. Einmal im Jahr bei der Gesundenuntersuchung kreuzt man dann an, wie oft in der Woche man Alkohol konsumiert. Das scheint einem nicht viel, aber trotzdem merkt man vielleicht den Zeitpunkt nicht, wo man eigentlich drüber ist über dieses „Ich kann eigentlich von heute auf morgen aufhören“, also über diesen Punkt, wo mir dann das vielleicht doch schwerfällt aufzuhören. Wann merke ich denn, dass ich mir Hilfe holen sollte? Ein wesentlicher Punkt ist, wenn ich mir vornehme, eine gewisse Zeit keinen Alkohol zu trinken und ich merke, ich schaffe es nicht. Es gibt ja auch die Regel, dass man mindestens zwei alkoholfreie Tage in der Woche haben sollte. Wenn es mir schon schwerfällt, die einzuhalten, dann sollte ich mal ernsthaft über meinen Alkoholkonsum nachdenken und mir vielleicht Hilfe holen. Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit und keine Willensschwäche. Wenn ich es nicht schaffe, von alleine aufzuhören, dann ist es Zeit, mir Unterstützung zu holen und ich brauche mir keine Vorwürfe machen, auch nicht als Angehörige.
Wenn ich so zurückdenke an meine eigene Jugend, natürlich gab es da sehr, sehr viele Abende, wo deutlich zu viel getrunken wurde. Es war so ein bisschen das Ausprobieren der Jugend. Man hat einfach getrunken. Irgendwann hat man den Zeitpunkt übersehen, wo es wirklich zu viel war. Ich bemerke jetzt bei Jugendlichen verschiedenster Altersgruppen, das Ganze fängt an, sich ein bisschen umzukehren. Umzukehren ins Positive, wenn wir unser heutiges Thema anschauen. Weniger Alkohol, denn es gibt sehr viele Jugendliche, die bewusst auf Alkohol verzichten. Haben die andere Ersatzdrogen, die sie sozusagen als Rauschmittel konsumieren oder ist das wirklich ein Umdenken in der Jugend geworden?
Ja, eine aktuelle internationale Studie zeigt, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen wirklich rückläufig ist. Es trinkt noch immer jeder Fünfte regelmäßig und die Mädchen holen auf, aber erfreulicherweise sehen wir, dass seit 2007 die Anzahl derer, die gar keinen Alkohol trinken, sich vervierfacht hat und die Zahl derer, die in den letzten 30 Tagen keinen Alkohol getrunken hat, sich verdoppelt hat. Das ist natürlich aus Sicht der Suchtvorbeugung eine erfreuliche Entwicklung und können wir sicher als einen ganz kleinen ersten Schritt Richtung Normveränderung sehen. Gleichzeitig sehen wir auch auf Social Media, es gibt immer mehr Challenges, Aufrufe, eine bestimmte Zeit auf Alkohol zu verzichten und gerade auch junge Menschen machen mit.
Das heißt, die Jugendlichen denken da auch wirklich schon anders, glauben Sie, es ist das Gesundheitsbewusstsein, das da im Vordergrund steht?
Wir sehen keine Verschiebung auf andere Substanzen. Wir sehen eine Veränderung ihrer Lebenswelt. Das Gesundheitsbewusstsein, aber auch vor allem die Selbstoptimierung, hat einen größeren Stellenwert. Es ist wichtig, fit und leistungsfähig zu sein. Es haben sich auch die Geschlechterrollen ein bisschen verändert. Männlichkeit bedeutet nicht mehr nur viel und oft Alkohol zu vertragen, sondern auch fit und leistungsfähig zu sein. Sie bewegen sich mehr im virtuellen Raum. Es gibt weniger reale Begegnungsmöglichkeiten, wo Alkohol eine Rolle spielt. Gleichzeitig sehen wir auch, dass in diesen virtuellen Räumen sie andere Ausdrucksmöglichkeiten haben und es ist dieser Konformitätsdruck weniger geworden. Alle trinken, also trinke ich auch.
Das heißt also, der Begriff des Komasaufens, den wir vor 15, 20 Jahren noch hatten, der wird weniger?
Genau. Es hat nicht mehr diese Bedeutung, sich in dieser Form darzustellen für Jugendliche.
Um den Alkoholkonsum zu reduzieren, wenn man schon auf dem Punkt ist, wo man sagt, ich weiß, ich trinke vielleicht ein bisschen zu viel, ich möchte weniger machen. Ist immer leichter, wenn man ein paar Tipps kriegt von anderen, die das vielleicht schon gemacht haben oder die irgendwie eben gute Alternativen zur Verfügung stellen, wie wir schon gesagt haben, diese verschiedenen alkoholfreien Varianten. Aber wie gehe ich es denn konkret an? Was kann ich denn tun, um zu sagen, okay, erster Schritt?
Mhm. Ja, da haben wir ein paar Tipps. Bevor ich zu denen komme, möchte ich noch sagen, weil „Glasl“ gefallen ist, das eine oder andere Glasl. Wir in Österreich trinken durchschnittlich 500 Glas Bier pro Kopf pro Jahr.
Also das sind deutlich mehr als eines am Tag.
Das ist nicht zu wenig. Das stimmt. Das kommt auf ein paar Gläser sozusagen im Jahresverlauf. Umso wichtiger ist es, sich mit den Tipps zu beschäftigen. Also vorneweg der generalisierte Tipp: Trinken Sie weniger, bedeutet, wenn Sie vier Glas Bier pro Tag trinken, trinken Sie drei. Wenn Sie zwei Glas Wein pro Tag trinken, trinken Sie eines. Und wenn Sie wenig trinken generell, dann schauen Sie darauf und achten Sie darauf, dass Sie zwei alkoholfreie Tage in der Woche einhalten. Der zweite wesentliche Tipp ist: Schützen wir durch unseren Jugendschutz. Jugendschutz in Österreich. Bedeutet unter 16 Jahren gibt es keinen Alkohol für unsere Kinder und erst ab 18 gebrannten Alkohol. Wenn sich die Frage stellt, dieser orange Likör im Wein, darf ich den mit 17 schon servieren? Nein, das darf ich nicht. Den darf ich erst ab 18 meinem Gast oder einem Besucher geben. Der dritte Punkt ist, bitte überreden Sie niemanden, Alkohol zu trinken. Es ist völlig egal, ob der Arme Autofahren muss oder die Arme Kopfweh hat. Ab einem gewissen Alter stellt sich nicht mehr die Frage, ob man schwanger ist oder nicht. Es ist einfach nervig, ständig gefragt zu werden, warum man keinen Alkohol trinkt.
Was sagt man, wenn man da so bloßgestellt wird „komm, und warum trinkst nicht"?
Ja, was sagt man? Es reicht ein „Nein, danke“ völlig aus, meiner Meinung nach. Ich brauche auch nicht in die Rechtfertigung gehen. Ich kann einfach anhängen: „Was hast du denn sonst Gutes für mich?“ Der vierte Tipp ist und der hängt da ein bisschen dran an dem dritten Tipp. Stoßen Sie mit alkoholfreien Getränken an. Bedeutet, haben Sie gute, schmackhafte Alternativen zu Hause wie im Steirischen Genussland und wir haben mittlerweile eine breite Palette an regionalen Produzenten von wirklich köstlichen Getränken, die man gut auch einkaufen kann. Und der fünfte Tipp: Trinken Sie nicht gegen den Durst, trinken Sie nicht, wenn Sie schwanger sind. Trinken Sie nicht, wenn Sie arbeiten. Trinken Sie nicht bei Stress, wenn Sie Langeweile haben oder Sorgen haben und trinken Sie nicht im Straßenverkehr.
Dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen. Und in diesem Sinne kann man eigentlich nur sagen: Prost auf diesen Sommer mit einer Scheibe Zitrone und mit einem frischen Getränk. Vielleicht ein paar Beeren findet man auch immer wieder in schönen Mocktails. Also die Alternativen sind mannigfaltig. Vielen Dank fürs Kommen. Vielen Dank für Ihre wunderbaren Tipps und Es ist vielleicht schon gewonnen, wenn wir den ein oder anderen überzeugen konnten, oder? Jeder Schluck Alkohol weniger ist mehr vom Leben.
Das war Gesund informiert, der Gesundheitspodcast, eine Zusammenarbeit von Gesundheitsfonds Steiermark und ORF Steiermark.
