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Folge #61 Depression: Bin ich traurig oder ernsthaft krank?

Mann, der mit dem Kopf in den Knien sitzt und einen Blitz über sich hat.

Es sagt sich so leicht: „Das Wetter macht mich depressiv.“ oder „Ich hab‘ eine Winterdepression“. Aber was bedeutet es wirklich, an einer Depression erkrankt zu sein? Was ist der Unterschied zu Traurigkeit und was macht die Erkrankung mit den Betroffenen?

In der Folge #61 des „Gesund informiert“-Podcast erfahren Sie, wie sich eine Depression anfühlen kann, welche Behandlungen es gibt und wie das mit den Medikamenten ist.

Gäste:
DI Michaela Wambacher, Obfrau des Vereins Achterbahn, sowie Dr. Omid Amouzadeh, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bei der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit

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Text zur Folge

"Jetzt reiß dich mal zusammen, nimm doch jetzt endlich Hilfe in Anspruch, dann wird alles gut". Dieses Stigma, "der bräuchte ja nur", ist sehr erschwerend, weil in einer Depression, wenn man da wirklich drin ist, dann kann man nicht.

Willkommen bei Gesund informiert, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht. Bianca und Anja bringen Licht in den Dschungel der Gesundheitsinformationen. Mit wissenschaftlich gesicherten Infos, hilfreichen Tipps und spannenden Interviewgästen bist du immer gesund informiert.

Es sagt sich so leicht: Das Wetter macht mich depressiv oder ich habe eine Winterdepression. Aber was ist eine Depression eigentlich wirklich? Was ist der Unterschied zu Traurigkeit und gelegentlichen Stimmungstiefs? Was macht diese Erkrankung mit den Betroffenen und wo gibt es Hilfe? Genau darum geht es in dieser Folge von Gesund informiert. Übrigens, die letzte Folge dieser Art. Ab jetzt wird sich die Stimme verändern und Gesund informiert gibt es wieder zweimal im Monat. Also bleib dabei und klick am besten direkt auf Folgen. Aber zurück zum Thema. Meine Fragen beantworten heute Frau Diplomingenieurin Michaela Wambacher und Herr Dr. Omid Amouzadeh. Frau Wambacher ist Obfrau des Vereins Achterbahn, einer unabhängigen Peer-Bewegung für psychische Gesundheit. Dr. Omid Amouzadeh ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie bei der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit. Herzlich willkommen und schön, dass Sie beide sich die Zeit nehmen.

Danke für die Einladung.

Ebenfalls. Danke für die Einladung.

Sehr gerne. Frau Wambacher, Sie selbst sind Expertin aus Erfahrung. Das heißt, Sie sind selbst oder waren selbst von einer Depression betroffen. Können Sie Ihre ganz persönliche Geschichte kurz als Einstieg in die Folge erzählen?

Ja, also Depression ist bei uns schon über einige Generationen eine Familienerkrankung. Mich hat es mit 12 Jahren das erste Mal erwischt. Es hat aber gedauert, bis ich 38 war und das erste Mal Hilfe in Anspruch genommen habe. Meine Erfahrung ist, dass Depression in dem Sinn ja nicht weggeht. Das ist so wie eine Sollbruchstelle im System, und die kann durchaus auch wieder auflackern, wenn ich nicht aufpasse, wenn ich überlastet bin. Aber der Unterschied zu früher ist, dass ich heute Strategien habe und ein gutes Netzwerk und dadurch auch relativ rasch wieder aus einem Tief herauskomme. Bei mir war es so, dass ich zunehmend weniger gegessen habe, dass der Appetit weg war, dass ich zunehmend Schlafstörungen hatte, und das hat sich so weit gesteigert, dass ich 5 Wochen nicht mehr geschlafen habe, nichts mehr gegessen habe und ständiges Gedankenkreisen im Kopf – nur noch ein, zwei Gedanken kursierten in meinem Kopf, wie Das schaffst du nicht, Du bist jetzt am Ende, Du kommst nicht mehr weiter – und mich das mehr und mehr hinuntergezogen hat, bis ich das Gefühl hatte, ich habe nur noch zwei Möglichkeiten: Hilfe in Anspruch zu nehmen oder mein Leben zu beenden. Ich habe mich dafür entschieden, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Herr Dr. Amouzadeh, was sind denn die typischen Beschwerden einer Depression? Also, woran erkenne ich die Erkrankung?

Typische Beschwerden einer Depression sind Bedrücktheit und Traurigkeit und der Verlust an Interesse an alltäglichen Dingen, denen man sonst nachgegangen ist. Das sind die zwei Hauptsymptome, die die WHO auch empfiehlt abzufragen. Daneben gibt es natürlich auch noch eine Reihe an anderen Symptomen. Das ist die Schlaflosigkeit oder auf der anderen Seite vermehrtes Schlafbedürfnis und eine Tagesmüdigkeit. Was wir schon gehört haben, Gedanken an Tod und Suizid, also Selbstmord, dann gereizte Stimmung, körperbezogene Empfindungen, von denen man vermutet, dass körperliche Erkrankungen zugrunde liegen. Das sind so hypochondrische Befürchtungen und eine Reihe anderer Symptome. Grundsätzlich muss man sagen, das, was ich bis jetzt geschildert habe, lässt jetzt noch kein klares Bild der Depression erkennen. Das liegt daran, dass die Depression ein besonders vielgestaltiges Bild zeigen kann und dass man versucht, diese Vielgestalt irgendwie zu fassen. Man denkt wohl in erster Linie an diese teilnahmsarme Depression, die die Kollegin ja auch sehr eindrücklich geschildert hat. Auf der anderen Seite gibt es aber auch agierte Formen der Depression, die ein sehr gehetztes Bild präsentieren können, oder Depressionen, die sehr von Angst, Befürchtungen, Selbstabwertungen dominiert sind, und dann eben zum Beispiel sehr hypochondrisch dominierte Arten der Depression, wo Befürchtungen im Vordergrund stehen, an Erkrankungen zu leiden, die leider Gottes aber niemand diagnostizieren kann.

Jetzt geht es uns allen ja nicht immer hundertprozentig gut. Jeder ist einmal traurig, jeder ist mal antriebslos. Was ist denn wirklich der Unterschied zu diesen gelegentlichen Interessenslosigkeiten, Antriebslosigkeit? Was ist wirklich der Unterschied zu einer Depression?

Das ist eine besonders schwierige Frage. Wenn man es formal beantworten will, so wie man es zum Beispiel in den Facharztprüfungen von uns verlangt, dann muss man sagen, dass eine depressive Episode ein gewisses Zeitkriterium erfüllen muss: mindestens zwei Wochen müssen die Symptome vorliegen und sie müssen derart sein, dass sie den Alltag des Betroffenen sehr stark beeinträchtigen, also klinisch signifikant, wie wir uns ausdrücken, beeinträchtigen, und das subjektive Leid muss zum Beispiel empfunden werden. Ein bisschen plastischer formuliert, kann man es vielleicht auch anders ausdrücken: Im Grunde ist ein krankhafter Zustand dadurch gekennzeichnet, dass man abnormal auf alltägliche Dinge, auf normale Dinge reagiert. Und umgekehrt liegt kein krankhafter Zustand vor, aber vielleicht eine Krise, wenn man normal auf abnormale Situationen reagiert. Beide Dinge können ähnlich aussehen. Aus dem Alltag gesprochen muss man aber sogleich sagen, dass auch diese Regel an der Realität zerbricht. Und die meisten Klienten und Patienten, die in die Krise kommen, zeigen im Prinzip ein sehr ähnliches Bild, egal ob jetzt eine Krankheit dahintersteht oder eine Situation, ein Trauma, ein Verlust oder Ähnliches.

Das heißt, es ist gar nicht so einfach zu erkennen, ob ich jetzt in einer Krise bin oder in einer Ausnahmesituation oder ob wirklich eine Erkrankung dahintersteckt. Frau Wambacher, wie war das? Aus Ihrer Erfahrung, wann haben Sie gemerkt, ich muss mir jetzt Hilfe holen? Was war der ausschlaggebende Punkt?

Bei mir war der Moment, als sich alles so verengt hat, dass ich nicht mehr schlafen konnte, dass ich nicht mehr essen konnte, dass ich keinen Sinn mehr gesehen habe. Ich hatte das Gefühl, ich stehe vor einer Wand und da gibt es keine Türen hinaus, und die ganze Hoffnung war weg, und eben dieser Moment kam, wo ich dachte: So, das war’s jetzt. Ich wollte im Prinzip nicht sterben, aber ich wollte aus dieser Situation heraus. Meine Person war ja gekoppelt mit ganz vielen Phobien, und da hat natürlich auch eine Arztphobie dazugehört und eine Therapeutenphobie und eine Spritzenphobie, und deswegen hat es mir auch so schwer gemacht, früher schon Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich habe alles vermieden und am Ende keine Kontakte mehr gehabt, mich zu Hause versteckt, wenn jemand zu Besuch kam. Es war also unvorstellbar, dass ich in die Psychiatrie gehe oder zu einem Arzt, ohne Alkohol zu trinken. Das war eben ein großes Thema auch in meinem jüngeren Erwachsenenleben, dass ich mich mit Alkohol therapiert habe, wenn ich Situationen ausgeliefert war, denen ich mich nicht gewachsen gefühlt habe. Ich hatte aber da beschlossen in dieser wirklich schlechten Phase, keinen Alkohol zu trinken, und deswegen waren die zwei Möglichkeiten, Hilfe in Anspruch zu nehmen oder mir das Leben zu nehmen. Ich bin im Zimmer im Bett gelegen und war furchtbar verzweifelt, weil es so ausweglos war. Und dann ist – es klingt jetzt wirklich komisch, aber es war so ein warmes Licht links von mir, also Wärme aufgetaucht – und mir wurde die Frage gestellt, woher auch immer: Und was glaubst du, was danach ist, wenn du dich selbst suizidierst? Was ist, wenn es noch schlimmer ist als jetzt und du kannst es nicht mehr steuern, weil die Seele halb irgendwo schwebt und du kannst es mit dem Verstand nicht mehr steuern, und du lebst dann ewig in einem grausamen Zustand? Und das hat mich gerettet, genau diese Frage. Und ich habe dann schluchzend zu meinem Mann gesagt: Führe mich in die Psychiatrie, ich muss was tun. Und es war dann auch schrecklich die erste Woche. Ich habe aber dann gelernt, schrittweise aus diesen Phobien herauszukommen, aus der Angst. Und es hat dann natürlich auch die depressive Symptomatik verbessert, es gab natürlich Medikamente, Therapien, und der psychiatrische Aufenthalt hat mich wirklich gerettet.

Bleiben wir noch kurz bei diesen Erkrankungen oder Nichterkrankungen. Wer darf denn eine Diagnose stellen? Sie sagten, Sie sind in die Psychiatrie gefahren.

Vielleicht können Sie kurz sagen, was ist die Psychiatrie? Wo sind Sie konkret hingefahren? Hat Sie behandelt, oder wer hat die Diagnose gestellt?

Ich bin in das damalige LSF in Graz gegangen. Dort war dann Wochenende, das war besonders schlimm, weil eigentlich niemand da war, der mir sagen konnte, was ich habe. Ja, der Montag war dann der Tag des Schreckens mit Blutabnahme und Therapiegespräch mit dem Arzt. Aber die Diagnose ist dann eben im Laufe dieser ersten Woche gestellt worden. Natürlich gibt es immer Teambesprechungen. Ich schätze mal, ausgehend davon, wie man mich kennengelernt hat, aus fachlicher Sicht und so weiter, mit Sozialarbeitern, mit den diplomierten Pflegerinnen – die habe ich ja damals am Wochenende genervt, die werden wahrscheinlich gefragt worden sein. Ich schätze mal, ich gehe jetzt einmal davon aus, dass da im Team der Fall sozusagen besprochen wird.

Also im Grunde ist damit das praktische Vorgehen beschrieben. Das ist sicher interdisziplinär in aller Regel. Traditionell sagt man natürlich, dass der Arzt die Diagnose stellt, sprich, das ist der Facharzt oder der Allgemeinmediziner. Mittlerweile hat sich das ein bisschen geändert, auch klinische Psychologen können zu einer Diagnose finden, und auch Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen haben mittlerweile beziehungsweise deren Vertretungen und Dachverbände haben mittlerweile Leitlinien zur Diagnosefindung.

Kommen wir zu den Ursachen für eine Depression. Gibt es Ursachen? Sie haben gesagt, Sie haben schon an einer Angststörung gelitten und die Depression war die Folge. Gibt es immer einen Auslöser? Gibt es Ursachen? Kann man das überhaupt sagen?

Die meisten gehen davon aus, dass man von einer multifaktoriellen Genese der Depression ausgehen muss. Damit ist gemeint, dass verschiedenste Faktoren zusammenspielen, bis eine Depression dann klinisch in Erscheinung tritt. Meistens werden in diesem Zusammenhang genannt:

  • genetische Faktoren
  • biografische Ereignisse (wie Dramata, die depressive Symptomatik auslösen können)
  • chronische Belastung (am Arbeitsplatz, in der Beziehung oder sonst wie)
  • biochemische Faktoren (Botenstoffe im Hirn)
  • psychologische Faktoren (z.B. starker Perfektionismus, der zu Insuffizienzgefühlen münden kann, oder Prokrastination)

In erster Linie ist festzuhalten, dass man eine familiäre Belastung beobachten kann. Ob man daraus rückschließen darf, dass es eine rein genetische Belastung ist, die zur Depression führt, das wage ich zu bezweifeln. Man muss nur zum Beispiel an Kinder betroffener Eltern denken, also wo Eltern psychisch erkrankt sind. Auch die müssen sehr viel Leid mittragen, und wenn die ihrerseits dann erkranken, muss man sagen, da muss ich nicht die Gene zur Hilfe holen, um mir das zu erklären.

Ja, da wollte ich nur sagen, Sie kommen ja aus so einer Familie mit Belastung, einem erkrankten Elternteil mit vier Kindern. Zwei haben sozusagen oder leiden immer wieder unter depressiven Phasen und zwei überhaupt nicht. Also sind derart resilient. Da gibt es sicher genetische Faktoren, aber auch erlerntes Verhalten und in unserem Fall Hochsensibilität, wo immer die Antennen, so feine Antennen, ausgefahren waren, wo man alles mitbekommen und verinnerlicht hat, wo man vielleicht selbst über Jahre Schuldgefühle gehabt hat, wo man versucht hat zu helfen, zu unterstützen und dann aber aufgelaufen ist.

Wir stellen im Podcast und generell aus Gesundheitsförderungssicht immer die Frage: Kann ich vorbeugen? Was sind da Ihre Erfahrungen?

Also, mir kommt vor, das kann gerade beim ersten Mal aus dem heiteren Himmel erwischen. Da rechnet man ja nicht damit. Insofern kann man nicht vorbeugen, wobei man das ja in allen Sendungen, in allen Gesundheitssendungen hört. Man kann schauen, dass man relativ gesund lebt, dass man einen regelmäßigen Rhythmus hat, dass man ein gutes Netzwerk an Freunden hat und ausreichend Bewegung macht, sich gesund ernährt, aber das schützt auch nicht unbedingt. Also, wenn Ereignisse eintreten, die schwierig sind, traumatische wie Tod, Unfall, sonstige Dinge, kann man das natürlich auch, wenn man noch so gut aufgestellt ist, in ein Tief reißen. Der eine kommt mit einer Trauerphase hinaus, der andere bleibt darin hängen, oder die andere. Und insofern ist es gerade beim ersten Mal sehr schwierig, wenn man natürlich glaubt, mich erwischt das möglicherweise. Man denkt gar nicht darüber nach. Es ist ja in der Gesellschaft jetzt nicht so ein Thema, da will man nicht hinschauen. Es ist ein großes Tabu, und so hofft man heute wahrscheinlich, dass man auskommt oder denkt gar nicht darüber nach, aber eben dieses erste Mal kommt so unverhofft.

Vielleicht darf ich ergänzend festhalten. Eines muss klar sein: Wir sind in der Ursachenforschung noch nicht so weit, dass wir tatsächlich Präventivmaßnahmen empfehlen können. Alles, was bisher von Michaela genannt wurde, sind prophylaktische Maßnahmen. Das heißt, man kann allenfalls damit die Risiken etwas minimieren, aber viel mehr kann man tatsächlich nicht tun.

Ich glaube, das ist jetzt aus dem Gespräch schon ganz gut herausgekommen. Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung. Was passiert dann, wenn sie unbehandelt bleibt? Was sind mögliche Folgen?

Das stimmt. Die Depression ist eine nicht unbedeutende Erkrankung, auch gesellschaftspolitisch, wenn sie nicht behandelt wird. Das kann man nicht eindeutig jetzt beantworten. Es hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab und eben was man unter Behandlung versteht. Leichte Depression wird man in aller Regel eher therapeutisch, sprich psychotherapeutisch, also mit Gesprächstherapie, behandeln. Spätestens bei einer mittelgradigen oder schwergradigen Depression wird das nicht ausreichen, und da wird man medikamentös behandeln. Wenn man dies nicht tut, gerade bei schweren Depressionen, nimmt das Risiko zu, dass die Erkrankung chronifiziert. Das kommt bei sage und schreibe 20% aller Erkrankten vor. Es hat also kein geringes Ausmaß. Und natürlich treten Komorbiditäten auf. Wir haben schon gehört, Alkohol zum Beispiel ist eine schwere Komorbidität, die im Verlauf einer Depression auftreten kann. Das macht alles viel schlimmer. Und auch das haben wir heute schon gehört, dass die aufdrängenden Suizidgedanken, der Gedanke an Tod, natürlich ein drohendes Damoklesschwert sind, gerade in der Behandlung der schweren depressiven Episode. Man muss sich vorstellen, dass wir bei dieser Erkrankung ungefähr 10 bis 15% der Patienten tatsächlich durch Suizid verlieren.

Sind wir ja schon bei der nächsten Frage, und zwar wird mich interessieren: Wo finden denn Betroffene Hilfe? Frau Wambacher Sie haben ja gesagt, Sie sind direkt ins Krankenhaus gefahren. Wo soll ich mich hinwenden, wenn ich vermute, eine Depression zu haben oder wenn diese Symptome bei mir auftauchen?

Ich habe ja die große Schwierigkeit gehabt, diese Hürde zum professionellen System zu nehmen. Ich glaube, das gibt es beim ersten Mal sehr oft, überhaupt wenn die Stigmatisierung so hoch ist, wenn die Angst besteht, für verrückt gehalten zu werden. Gerade im ländlichen Bereich ist es massiver als in der Stadt, wenn man sich kennt. Also, ich habe das so gemacht, dass ich im Freundeskreis geschaut habe, wer hat damit Erfahrungen, und dann ist über eine Freundin Kontakt hergestellt worden zu zwei weiter entfernten Freundinnen, wo ich dann erfahren habe, dass die eben auch das Problem während dem Studium hatten. Die habe ich angerufen und hatte mal so einen ersten Austausch und was die gemacht haben und wie es weggegangen ist. Das war in dieser ganz schweren Zeit eine sehr wichtige Begleitung.

Die Selbsthilfe, der Erfahrungsaustausch, das Andocken bei Selbsthilfevereinen kann, wenn man diese Hürde hat, professionelle Angebote anzunehmen, sicher hilfreich sein, weil wir jetzt zum Beispiel als Verein Achterbahn dann die Brücke bauen können zur professionellen Versorgung. Da ist es eben auch unsere Aufgabe, zu vernetzen, hinzuweisen, was es gibt. Und wenn ich schon mehr weiß, wenn ich mich traue sozusagen, ist natürlich das Andocken in den niederschwelligen psychosozialen Zentren, die es überall in der Steiermark gibt, in Graz und in den Regionen, auch möglich. Das erfährt man in der Gemeinde, das erfährt man über Internet und so weiter, welche Angebote es gibt. Da gibt es auch immer ganz niederschwellig diesen Krisendienst, wo man sich hinwenden kann. Das wäre so für mich der Tipp. Oder es gibt eben natürlich auch jetzt im vormals LSF, heute LKH2 Standort Süd, natürlich auch die Akutambulanz, die du, glaube ich, mit aufgebaut hast. Ich weiß, wo ich mich auch hinwenden kann.

Das kann ich nur von meiner Seite auch bestätigen. Wichtig ist aus meiner Sicht zu vermitteln, dass man nicht alleine steht. Weder als Patient – es gibt viele Betroffene – noch als Angehöriger. Es gibt auch viele Angehörige von vielen Betroffenen. Und man steht aber auch da nicht allein, weil sehr viele Einrichtungen auf ganz verschiedenen Ebenen mit ganz verschiedener Erreichbarkeit und Kompetenz zur Verfügung stehen und Hilfe anbieten.

Wie kann man als Angehöriger unterstützen? Was soll ich vielleicht nicht tun? Und vielleicht können Sie auch kurz erzählen, was hat Ihnen geholfen?

Also, ich bin ja Angehörige und Betroffene, deswegen kann ich dazu auch etwas sagen. Mir hat geholfen, mir persönlich haben Freundinnen geholfen, die einfach gekommen sind und da waren, ohne dass sie Druck gemacht haben. Meine zwei besten Freundinnen haben nie gesagt: Du musst jetzt was tun und machen!, sondern die waren einfach da, haben vielleicht irgendwo etwas fallen gelassen, was sie auch kennen. Was ich in meiner Familie mache, wenn so ein Fall ist, also wenn ein bisschen die Angst besteht, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist, dass ich Dinge hinlege, unkommentiert, Bücher, Flyer und halt immer nachfrage, wie es geht, und immer wieder so vorsichtig versuche, wie ich unterstützen kann. Aber sehr, sehr vorsichtig und sehr sensibel, weil es uns zeigen kann, dass die Personen zumachen und dass gar nichts mehr geht, habe ich auch erlebt. Ich habe schon viele Fehler gemacht, viel Druck aufgebaut, gerade im familiären Kreis. Immer wieder Kontakt aufnehmen, immer wieder dem Menschen neu begegnen, schauen, wie ist der Zustand heute, und auch abzuschätzen, wo wird es gefährlich, wo muss ich handeln, also Fremd- und Selbstgefährdung, und wo muss ich es einfach auch einmal akzeptieren und hinnehmen, dass es so ist, wenn mein Angehöriger die Hilfsangebote, die Hände, die ihm gereicht werden, nicht annimmt. Das kann auch sehr viel Druck herausnehmen, und ich denke, wenn man da ist und vielleicht dann dort etwas fallen lässt, dann löst es etwas aus, und dann ändert sich möglicherweise auch in dem Betroffenen etwas, aber man darf nur hoffen, verlangen kann man es nicht.

Also, die perfekte Strategie gibt es...

...überhaupt nicht.

Ich stelle es mir auch ganz schwierig vor, wenn man selbst Angst um den Betroffenen hat, da den richtigen Weg zu finden und eben nicht überbordend zu sein, aber trotzdem Hilfe anzubieten und auch zu wissen, wann muss ich Hilfe holen?

Oder gemeinsam aushalten, einfach aushalten und aufhören, Druck zu machen, weil der Druck natürlich...

...den Zustand des Betroffenen verschlechtern kann und eben, wie schon gesagt, auch das bewirken kann, dass er dann gar nichts mehr macht und nicht mehr erreichbar ist, und das wäre das Schlimmste.

Herr Dr. Amouzadeh, wie finde ich den richtigen Weg als Angehöriger?

Tatsächlich ist es so, dass sich Patientinnen sehr häufig beschweren über, wie du es genannt hast, grenzüberschreitende oder sich aufdrängende Angehörige. Das scheint eher negativen Einfluss auf den Behandlungserfolg zu haben, sage ich jetzt einmal, oder auf die Initiative des Patienten, sich dann Hilfe zu suchen. Wichtig ist, sicher die Erkrankung oder die Krise ernst zu nehmen und ein offenes Ohr zu haben und darüber zu reden, aber ohne sich aufzudrängen und vielleicht aber auch den Vorschlag zu machen, sich Hilfe zu holen. Damit sollte man nicht zurückhalten.

Ich stelle die nächste schwierige Frage. Ist Depression heilbar?

Tja, tatsächlich wieder eine schwierige Frage, nur schwierige Fragen. Da gibt es ja den Antonovsky, wo man sich so eine Schiene vorstellt, ganz gesund und sehr krank, und wir liegen sowieso immer irgendwie dazwischen. Was ist heilbar? Also, aus meiner Erfahrung kann man sagen, man kann bis zu einem gewissen Grad genesen, und wir sagen immer, es ist auch möglich, selbst wenn die Krankheit weiter besteht, dass man ein zufriedenes Leben führen kann. Ich glaube, es ist ein hoher Anspruch zu sagen, das ist heilbar.

Genau. Ja, also im Prinzip kann ich das unterstützen. Ich glaube, was wesentlich ist, ist, dass man für jede Patientin ein differenziertes Bild gewinnt. Wo liegt sie gerade? Ist es eine sehr leichte Verlaufsform? Ist die Symptomatik schon sehr häufig wiedergekehrt? Wurde sie schon behandelt oder nicht?

Also wirklich eine sehr individuelle Frage, und ich höre auch, es geht eher darum, mit der Krankheit leben zu lernen und einen Umgang zu finden, mit dem man trotzdem gut leben kann.

Wobei ich die Hoffnung jetzt nicht nehmen möchte, aber ich glaube, es geht darum, für sich selbst so ein Bild zu entwickeln, vielleicht gemeinsam mit einem Therapeuten Ziele zu definieren: Was will ich erreichen? Da steht vielleicht nicht an erster Stelle: Heilbar, wann bin ich gesund?, sondern: Wie kann ich mir dorthin arbeiten, dass ich ein zufriedenes Leben leben kann, auch wenn Symptome weiter bestehen? Und ich freue mich, wenn sie nicht weiter bestehen, aber...

...stimmt. Um nicht ein allzu pessimistisches Bild zu bieten, muss man ja auch sagen, dass besonders in der Psychotherapie eine depressive Episode oder entsprechende Symptomatik auch Anlass für sehr positive Veränderungen sein kann. Also, die Depression kann ja auch darauf hinweisen, dass etwas nicht passt und dass etwas veränderungswürdig ist, nämlich in aller Deutlichkeit. Ja, genau. Man hat einmal gesagt, das ist eine Notbremse der Seele.

Ich unterbreche jetzt kurz für eine Frage. Gefällt dir unser Podcast? Wenn ja, dann erzähle doch auch anderen davon. Du hilfst uns damit, verlässliche und unabhängige Gesundheitsinfos an möglichst viele Menschen zu bringen. Abonniere unseren Podcast und teile Folgen in sozialen Medien. Danke für deine Unterstützung, und schon geht es weiter. So, jetzt sind wir bei den Stichwörtern, nämlich bei den Behandlungsmethoden: Psychotherapie und Medikamente. Erste Frage: Gibt es noch etwas, das helfen kann? Und zweite Frage: Vielleicht können Sie einfach kurz erklären, zum Thema Medikamente, was sollte man dazu wissen, und auch zum Thema Psychotherapie, wie funktioniert das, wie finde ich Psychotherapie? Also, ganz kurz zusammengefasst, die wichtigsten Dinge, die man wissen sollte.

Nun gut, das sind viele Fragen auf einmal. Vielleicht zur ersten, um sie nicht aus den Augen zu verlieren: Es gibt tatsächlich sehr viele andere Methoden, die in der Behandlung der Depression angewendet werden, außer Medikamente und Gesprächstherapie. Zu nennen sind zum Beispiel:

  • die Lichttherapie
  • die Schlafentzugstherapie
  • die transkranielle Magnetstimulation
  • und für therapieresistente Depressionen gibt es sowieso noch eine Reihe von anderen Möglichkeiten bis hin zur Elektrokrampftherapie.

Ja, Medikamente: in aller Regel wird die depressive Episode mitbehandelt. Neben Antidepressiva sind andere Medikamente noch im Einsatz, also Beruhigungsmittel oder Anxiolytika, das wird alles gleichbedeutend verwendet. Also angstlösende, beruhigende Medikamente; jene können abhängig machen. Es besteht ein gewisses Risiko, davon abhängig zu werden. Das heißt, wir setzen es normalerweise ein, wie mein erfahrener Oberarzt einmal gesagt hat: als Feuerlöscher. Und dann muss man aber schauen, dass man den Feuerlöscher, den Hahn, auch wieder loslässt und dann wieder zurückgeht. So eingesetzt ist es gehörig und auch sehr effizient. Ansonsten kann man auch viel Schaden anrichten. Antidepressiva selbst machen nicht abhängig. Das ist ein Mythos, dem wir oft begegnen. Die Beruhigungsmittel können abhängig machen. Genau. Müssen nicht, vor allem nicht, wenn man sie gehörig einsetzt und dann auch unter Beobachtung hat. Wichtig ist – und das habe ich Ihnen tatsächlich bisher unterschlagen – beim Absetzen der Antidepressiva sollte man schon auch aufklären, dass Symptome auftreten können, wenn man es zu rasch macht. Das haben wir sicher in der Vergangenheit unterschätzt. Mittlerweile weiß man, dass man sich eigentlich viel mehr Zeit lassen muss. Man sollte sich tatsächlich meist, es gibt für die meisten Medikamente, ein Monate Zeit lassen mit der Reduktion, weil ansonsten Symptome in Erscheinung treten können, wo man diskutiert, ob man nicht trotzdem Entzugssymptome dazu sagen kann.

Neben den Medikamenten gibt es ja auch Psychotherapie, wie Sie beide schon erwähnt haben. Wie wirkt die Psychotherapie bei einer Depression?

Aus meiner Erfahrung ist das Wichtige, dass dieses Hinterfragen der Gedankenwelt, zum Beispiel der Ängste, das einmal anzuschauen, wo es herkommt, was überhaupt vorgeht, das einmal zu reflektieren, was bisher auch in der Gedankenwelt passiert ist, ganz wichtig für Aha-Erlebnisse ist. Und dann kann man natürlich auch, was ich wichtig finde, lösungsorientiert an Zielen und Veränderungspotenzialen arbeiten. Das kann auch sehr schmerzhaft sein, und es gehört immer eine gewisse Disziplin dazu und eben der richtige, also der passende Therapeut oder die passende Therapeutin, wo die Chemie stimmt, wo ich mich fallen lassen kann, wo ich wirklich alles ansprechen kann, was mich beschäftigt, und der dann auch darauf eingeht, selbst wenn er etwas vorgehabt hat oder das nächste Mal etwas macht, dass er auch auf das eingeht. Ich finde, am wichtigsten sind diese Aha-Erlebnisse und Denkprozesse bewusst anzuschauen und auch zu verändern.

Es gibt besonders in Österreich sehr viele therapeutische Schulen, die ganz viel verschiedene theoretische Modelle aufweisen und auch ganz viel verschiedene Praktiken haben. Zum Glück scheint eher die Haltung, so wie du es schon genannt hast, die Haltung des Therapeuten ausschlaggebend für den Behandlungserfolg zu sein.

Zum Thema Psychotherapie haben wir im nächsten Jahr eine Folge geplant. Da wird es dann noch viel nähere Infos dazu geben. Jetzt würde mich noch interessieren, Frau Wambacher, was sind Ihre Erfahrungen? Haben Sie Tipps im Alltag mit der Erkrankung? Was kann ich selbst tun, um eben gut mit der Erkrankung zu leben?

Ja, dass ich mir eine Wochenstruktur zurechtlege, wie auch immer die ausschaut, mit Freunde treffen, Selbsthilfegruppen, wenn das passt, besuchen. Welche Ziele stecke ich mir? Möchte ich da zu Mittag kochen, lade ich Freunde ein, treffe ich mich mit Freunden, gehe ich spazieren, habe ich vielleicht eine Affinität zu Tieren, hilft mein Hund, oder wie auch immer. Also wichtig ist, dass nicht ein Strudel und ein Teig ist, sondern dass man sich wirklich mit Hilfe, vielleicht mit Beratungen, eine Tagesstruktur oder Wochenstruktur zurechtlegt, und das möchte Achterbahn ja auch mit dem Angebot. Es gibt ja jeden Tag eine Selbsthilfegruppe, auch um Lichtblicke zu erzeugen, sozusagen. Selbst wenn ich mich in der Früh sinnlos fühle, ich weiß, jetzt ist dann Frühstück und Kaffee da, ich gehe hin, da war ich, da kann ich mich austauschen, da geht es mir nachher besser. Dass man Lichtblicke hat, auf die man sich freuen kann oder eine Radiosendung oder ein gutes Essen, wie auch immer, dass man das kultiviert, etwas, worauf ich mich freuen kann und das dann aber auch mache, wenn ich es mir vorgenommen habe, und vielleicht auch schaue, dass man jemanden hat, der einen dann anstupst, wenn man von sich selbst weiß, ich zweifle da vielleicht wieder ab.

Kleine Schritte. Man sollte tatsächlich die Ziele nicht so hoch stecken, weil ansonsten frustriert man sehr schnell, also kleine Schritte, Babyschritte, wie es in einem bekannten Film heißt.

Das ist sicher angemessen. Ja. Und Tagesstrukturierung, wie du schon gesagt hast.

Das kann man aber erlernen. In den psychosozialen Zentren gibt es ja auch das Angebot der Tagesstruktur. Wenn ich das selber nicht schaffe, weil ich es sehr lange nicht gehabt habe, zahlt es sich auch aus, dort anzudocken. Man kann das auch wieder erlernen, wenn man es verlernt hat oder nie gelernt hat, wenn man aus einem System kommt, wo es das nicht gegeben hat.

Was sind denn so die häufigsten Missverständnisse und Klischees, die Ihnen beiden in Ihrer Arbeit begegnen?

Ja, das ist immer wieder diese Angst, die Angst, für verrückt gehalten zu werden, weil in der Bevölkerung die Aufklärung noch so nachhinkt und auch gerade am Land die Meinung vorherrscht: Boah, jetzt ist der verrückt geworden, was wird der als Nächstes anstellen? Das ist, glaube ich, eine der größten Hürden, dieses Nicht-Aufgeklärt-Sein, diese mangelnde Aufklärung in der Bevölkerung. Und dann diese Bilder, die man vielleicht über Filme, über Medien vermittelt bekommt, dann so verinnerlicht, dass man psychische Erkrankungen als ein Konvolut sieht, der Verrückte sozusagen, nicht weiß, wie viele Diagnosen es gibt, welche Ausformungen und so weiter, weil einfach diese Aufklärung fehlt. Und das führt dann dazu, dass die Betroffenen verunsichert sind, dass sie vielleicht das Haus nicht mehr verlassen, dass sie sich in der Gesellschaft unwohl fühlen, weil sie glauben, es wird vielleicht erkannt, sie könnten möglicherweise eine Erkrankung haben, dass sie dann nicht darüber sprechen, dass sie dann vielleicht oftmals viel zu spät Hilfe in Anspruch nehmen.

Genau, das ist besonders perfide an dieser Erkrankung, dass man das Ausmaß der Belastung nicht eindeutig wahrnehmen kann. Und besonders qualvoll ist eigentlich für die Betroffenen die Stigmatisierung und die damit verbundene Haltung, ja, die vor ihnen selbst nicht Halt macht. Sie leben ja in derselben Gedankenwelt bis dorthin. Und sie können sich selbst ja auch nicht vergeben, dass jetzt ihr Wille geschwächt ist, dass ihre Motivation geschwächt ist, dass der Antrieb nicht da ist, und man kann es eben nicht wahrnehmen. Und das ist eine besonders ungünstige Situation. Ja, und da muss man eben ansetzen in der Aufklärungsarbeit und in der Behandlung, auch in der therapeutischen Arbeit.

ist natürlich Stigma. Wenn man das so versteht, dass man als Angehöriger sagt: Das gibt es ja nicht, du musst dich ja nur ein bisschen zusammenreißen, kannst in die Arbeit gehen,...

...du gibst so schnell auf, und jetzt reiß dich mal zusammen, nimm doch jetzt endlich Hilfe in Anspruch, dann wird alles gut! Dieses Stigma, der bräuchte ja nur, ist sehr erschwerend, weil in einer Depression, wenn man da wirklich drin ist, dann kann man nicht.

Wie geht man dann als Betroffener am besten mit solchen Aussagen um? Wenn selbst gesagt wird: Reiß dich mal zusammen, andere schaffen es ja auch oder wie auch immer?

Also, wir empfehlen, dass man sich objektive Informationen einholt und sich damit wappnet, damit man dieser Stigmatisierung entgegengehen kann, und auch für sich selbst, damit man sich selbst vergeben kann, praktisch, dass man krank ist. Das ist nicht so einfach wie beim Knochenbruch zum Beispiel, wo man sich sehr leicht distanzieren kann. Eben bei der Erkrankung, muss man sich vorstellen, ist der Wille selbst betroffen, das Gemütsleben selbst betroffen. Man kann sich nicht von sich selbst distanzieren in diesem Sinne, und das ist ein ganz schwieriges Moment.

Aber der Tipp wäre, sich objektive Informationen zu holen, sich gesicherte Informationen zu holen. Haben Sie Tipps, wo finde ich die Informationen? Im Internet schwirrt ja auch alles Mögliche herum. Wo schaue ich am besten nach oder wen frage ich am besten?

Also, wenn ich Google: sind das irgendwie Studien? Ja, in Zeiten von KI wahrscheinlich immer schwieriger, in Zeiten von TikTok und so weiter. Bei Dr. Google muss man ein bisschen aufpassen. Was wir anbieten – mache ich jetzt Eigenwerbung – wir machen Peer-Beratung. Da kann man das abchecken, wie weit bin ich schon, was ist los, wo kann ich mich hinwenden, wo kann ich Dinge abklären lassen. Man kann auch bis zu einem gewissen Grad im Erfahrungsaustausch einiges erfahren.

Wenn es um Dr. Google geht, möchte ich noch ergänzen: Es gibt auch die Checkliste. Wenn man googelt Infos ohne Nebenwirkung, kommt man zu einer Checkliste mit sechs Punkten. Wenn man die bei einer Webseite oder bei einem Folder oder wie auch immer überprüft, dann kann man eigentlich davon ausgehen, dass es sich um eine gute Info handelt. Das ist vielleicht ein ganz einfaches Werkzeug, weil man sich fragt: Ist das, was mir jetzt im Internet begegnet, kann ich dem vertrauen oder nicht? Da gibt es einige Punkte, wo man drauf schauen kann.

Also, professionelle Institutionen wie unsere Beratungsstellen zum Beispiel stehen für alle Betroffenen offen, und auch dort kann man sich in persönlichen Gesprächen natürlich die Informationen holen, und ich würde fast dazu raten, weil wir natürlich interne Qualitätssicherung durch unsere Teambesprechungen, Intervisionen, Supervisionen und so weiter haben, sodass dort auch ein Standard weitergegeben werden kann. Das wäre meine Empfehlung.

Sie beide arbeiten oder engagieren sich ja in Organisationen, an die man sich wenden kann. Was bietet zum Beispiel die Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit, und welches Angebot hat der Verein Achterbahn?

Also, der Verein Achterbahn hat in Graz einmal in der Woche, einmal am Tag unter der Woche, eine Selbsthilfegruppe. Und wir haben aber auch zehn Außenstellen in steirischen Bezirken. Das findet man auf unserer Homepage achterbahn.at, wo die genau sind, mit wöchentlichen Gesprächsrunden. Und was wir jetzt neuerdings anbieten und etablieren, ist Peer-Beratung, also Einzelgespräche durch Betroffene, die eine Ausbildung zum Peer-Berater absolviert haben. In der Steiermark ist das die FH JOANNEUM, also auch relativ gut abgesichert.

Und Herr Dr. Amouzadeh, Sie sind Facharzt bei der Gesellschaft zur Förderung seelischer Gesundheit. Was bekomme ich dort?

Also, diese Institution ist im psychosozialen Feld sehr breit aufgestellt. Wir betreiben Beratungsstellen, Ambulatorien, aufsuchende Dienste in Form von mobil-sozialpsychiatrischen Diensten. Wir haben Arbeitsrehabilitation in der ganzen Steiermark. Wir haben in einigen Regionen auch die schon angesprochenen Tagesstrukturen. Wir haben sogar eine Autowerkstatt, ein Kaffeehaus und ein Restaurant. Wir sind da sehr breit aufgestellt. In diesen Bereichen sind natürlich auch Klienten tätig, in Form der Arbeitsrehabilitation. Also, die arbeiten im Restaurant oder im Kaffeehaus oder in der Autowerkstatt. Das machen wir jetzt nicht zu unserem Vergnügen, sondern das hat schon eine bestimmte Ausrichtung in diesem psychosozialen Bereich.

Wenn ich so gar nichts weiß, aber eine Krise auftritt bei Angehörigen oder Betroffenen, oder auch wenn Fragen sind, ich glaube, man kann PSYNOT auch immer anrufen. Die vernetzen auch entweder direkt zu einem Termin oder vermitteln, basierend auf dem kurzen Gespräch, wohin man vermitteln soll. Also, diese PSYNOT-Nummer: 0044 9933.

Haben wir irgendwas vergessen zum Thema Depression, das Ihnen noch wichtig ist zu sagen oder dass unsere Hörerinnen und Hörer wissen sollten?

Ja, nicht zuzuwarten, sondern Hilfe in Anspruch nehmen. Ich glaube, es ist jetzt ausreichend gesagt worden, was es alles gibt. Man kann Leiden dadurch wirklich verkürzen, verhindern.

Das fasst die Folge auch sehr gut zusammen. Wir sind nämlich jetzt schon am Ende unserer Folge angelangt, und ich hätte noch eine letzte Frage an Sie beide, und zwar: Was ist Ihr persönlicher Tipp für ein gesundes Leben?

Jeden Tag eine Minute lächeln, ein erfülltes soziales Leben.

Ja, das war's für heute. Danke, dass Sie beide heute bei mir zu Gast waren und meine Fragen beantwortet haben. Wir hoffen, die Folge hat dir zu Hause gefallen, und du bist auch das nächste Mal wieder dabei. Wenn du mehr zum Thema Gesundheit wissen willst oder den Podcast nachhören möchtest, dann schau auf unserer Webseite gesund-informiert.at. Wenn du Themen für uns hast, die dich interessieren, dann schreibe uns unter gesund-informiert@gfstmk.at. Wir freuen uns schon auf ein Wiederhören. Bis dahin bleib gesund und informiert. Baba, Bianca und Anja von Gesund informiert, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht.