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Folge #60 Rücken: Was kann ich bei Schmerzen tun?

Zwei Blitz- Symbole sind auf den Rücken eines Körpers gerichtet.

Sitzen. Liegen. Gehen. Jede Bewegung tut weh, weil der Rücken schmerzt. Was also tun?

In der Folge #60 des „Gesund informiert“-Podcast erfahren Sie, ob Ruhe oder Bewegung gescheiter ist, wann eine Wärmeflasche hilfreich sein kann und was die Schwiegermutter mit dem Rücken zu tun hat.

Gast: Dr. Michael Kern, Oberarzt im KH der Elisabethinen in Graz und Leiter der Schmerzambulanz

 

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Text zur Folge

Der wichtigste Behandler oder der Part, der am meisten tun muss, sind immer Sie als Patient.

Willkommen bei „Gesund informiert“, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht. Bianca und Anja bringen Licht in den Dschungel der Gesundheitsinformationen. Mit wissenschaftlich gesicherten Infos, hilfreichen Tipps und spannenden Interviewgästen bist du immer gesund informiert.

Herzlich willkommen zu unserem „Gesund informiert“ Podcast. Du kennst das, man kommt nicht aus dem Bett, man kann die Einkäufe kaum tragen. Auch das Sitzen tut weh. So kann es sein, wenn der Rücken schmerzt. Daher dreht sich heute unsere Folge um das Thema Rücken und Schmerz. Wir wollen wissen, was man gegen den Schmerz tun kann, aber auch, wie der Rücken möglichst gesund bleibt. Zu Gast bei mir ist heute Dr. Michael Kern. Er ist Oberarzt im Krankenhaus der Elisabethinen in Graz. Er leitet dort die Schmerzambulanz und wird meine Fragen zum Thema Rückenschmerz beantworten. Herzlich willkommen.

Grüß Gott. Herzlich willkommen.

Vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen. Das freut mich sehr. Gut, dann fangen wir gleich an mit meiner ersten Frage. Was sind denn die häufigsten Ursachen für den Rückenschmerz?

Beim Rückenschmerz muss man sagen, es ist sehr komplex, da durchzuschauen, weil er viele Ursachen hat. Die meisten Menschen kennen Rückenschmerz, also fast alle Leute erleiden einmal im Leben einen Rückenschmerz. Die gute Botschaft ist, meistens vergeht der Rückenschmerz wieder und bleibt nicht auf Dauer. Gehen wir mal zum Rücken überhaupt. Wenn man seine Wirbelsäule anschaut, eine Wirbelsäule ist sehr kompliziert. Die sorgt dafür, dass wir aufrecht gehen. Das heißt, dafür muss sie wahnsinnig stabil sein. Wir können uns aber auch gut bewegen. Dafür muss sie sehr beweglich sein und zusätzlich beschützt sie natürlich sehr empfindliche Strukturen, das Rückenmark und die Nerven, die herauskommen. Das heißt, es gibt viele Stellen, wo der Rücken wehtun kann. Wenn man sich jetzt anschaut, es gibt unspezifische Ursachen, das ist das häufigste. Man hat einmal Kreuzweh, das kann auch ziemlich wehtun. Man darf da beim Rücken nicht vergessen, dass der Schmerz nicht unbedingt dem Schaden entspricht. Das heißt, es bedeutet nicht „großer Schaden, großer Schmerz“ und „kleiner Schaden, kleiner Schmerz“. Ein Hexenschuss, der eigentlich keine spezifischen Ursachen hat, kann ganz schön wehtun. Was sind so unspezifische Ursachen? Wir kennen unser Leben, wir sitzen sehr viel, wir schauen in den Computer, wir essen auch sehr gern. Übergewicht ist bei uns eigentlich fast ein Volksleiden. Wir sitzen am Abend auf der Couch mit einem wunderbaren Rundrücken und schauen fern. Das heißt, es sind viele Sachen, die zu Rückenschmerzen führen können, zu unspezifischeren Rückenschmerzen. Wir haben viele Berufe, die einseitige Bewegungen haben, denken zum Beispiel an einen Metallbinder, der gebückt arbeitet, oder einen Friseur, der sich drüber neigen muss. Immer passt man sich den Arbeitsplatz auch nicht an. Und dann sind natürlich viele Berufe, die auch – das ist das eine – und nicht unterschätzen sollte man, wir hetzen heute ja oft von einem Termin zum anderen. Das heißt, wir haben die Kinder zu versorgen, wir haben den Job. Dazwischen sind noch Sachen, die uns Sorgen machen. Wir müssen schauen, wie man die kaputte Heizung reparieren sollen, müssen wir finanzieren. Das heißt, Stress als Promotor, als ein Motor für den Schmerz, der einen vor sich hertreibt, ist dann nicht zu unterschätzen. Dazu kommen wir vielleicht später noch einmal zurück. Und dann gibt es natürlich – und das ist Gott sei Dank der eher seltene Teil – spezifische Ursachen. Das sind natürlich Ursachen, die im Alter häufiger werden, wie eine Bandscheibenvorwölbung, die wirklich Schäden anrichtet, wie eine Osteoporose, wie Verletzungen, natürlich Knochenbrüche. Wir haben Muskelkrankheiten und ganz selten natürlich auch irgendwelche bösartigen Erkrankungen, die sich dort zeigen können.

Das höre ich ein bisschen raus, und das habe ich jetzt geklaut: Sitzen ist das neue Rauchen“. Wie lange kann so ein Rückenschmerz in der Regel dauern, oder wie lange darf er denn dauern?

Das Gute ist, Rückenschmerz dauert, wenn er akut ist, meistens nicht allzu lange. Das heißt, Tage bis Wochen. Wochen kommt einem dann schon wahnsinnig lang vor. Man sollte nicht verzweifeln. Es braucht einfach seine Zeit, bis sich das erholt. Wenn ein Gewebe ein bisschen geschwollen ist, dann sprechen wir auch von Entzündungszeichen, die dort sind. Das hat nicht unbedingt etwas mit Keimen zu tun. Das hat einfach mit Schwellung zu tun, mit ein bisschen Raumnot, die wieder vergeht. Und Gott sei Dank sind die meisten Rückenschmerzen, wenn man so will, selbstlimitierend. Wichtig ist nur, dass man relativ schnell reagiert und dann auch in die Behandlung und wieder zurück in die Bewegung kommt.

Was kann ich tun, wenn ich jetzt akut unter Rückenschmerzen leide? Was ist da eine konkrete Empfehlung?

Wenn Sie jetzt akut unter Rückenschmerzen leiden, gilt natürlich, man braucht eine Schonungsphase, wenn man sich so einen Hexenschuss vorstellt im Volksmund. Wenn man nicht vom Boden aufkommt, ist es natürlich wichtig, dass man eine kurze Ruhephase einlegt. Die soll aber kurz sein. Und man sollte dann möglichst schnell wieder in die Bewegung kommen. Wenn einem das nicht gelingt in einigen Tagen, ist es sicher sinnvoll, beim Hausarzt Medikamente zu holen, dass man sagt, diese Akutphase, dass man sich nicht bewegen kann, könnte der Arzt mit einfachen Medikamenten relativ gut in den Griff bekommen. Da ist auch nicht viel Diagnostik notwendig. Da brauchen Sie nicht gleich röntgen. Es sind schöne Schwarz-Weiß-Bilder, aber die geben uns am Anfang nicht mehr Information als Arzt. Die brauchen wir eigentlich nicht. Da haben Sie nur den Stress, dass Sie dann wieder in ein Röntgeninstitut müssen. Das sind Sachen, die man sich für spezifische Ursachen aufhebt.

Wenn wir gerade davon reden, vielleicht schauen wir uns noch die unterschiedlichen Arten an, weil jetzt habe ich gehört, Hexenschuss, das war jetzt zweimal. Das heißt, da kann ich eigentlich ein bisschen Ruhe und dann womöglich zum Hausarzt oder zur Hausärztin, oder zu Hause relativ gut was selber tun. Jetzt gibt es ja unterschiedliche Arten von Rückenschmerz. Welche gibt es denn?

Ganz im Groben muss man unterscheiden, sicher zwischen einem akuten und einem chronischen Schmerz. Der akute Schmerz ist der Schmerz, der auftritt, der macht Sinn. Gott sei Dank haben wir Schmerzen oder spüren wir Schmerzen. Das ist wichtig, das ist eine Schutzfunktion. Ohne Schmerzen wären wir der Welt ausgeliefert. Wenn Sie sich vorstellen, unsere Umgebung ist sehr feindlich. Wenn wir keine Augen hätten und keine Ohren und müssten über die Straße gehen, wäre es brandgefährlich, und genauso schützt uns der Schmerz, dass wir, wenn wir einen kleinen Schaden nehmen, das Falsche tun. Das heißt, es ist schon gut, dass uns der Schmerz für kurze Zeit ruhig stellt, weil da etwas passiert ist. Habe ich ein bisschen Schwellung an einer Nervenwurzel oder hat man den Muskel verrissen? Da ist es gut, wenn man dem kurze Ruhe gönnt. Wichtig ist, dass man dann wieder ins Tun kommt. Dieser akute Schmerz ist an und für sich per se nicht gefährlich. Den erkennt man daran, dass gut definierbar ist, wo er ist. Da merkt man gleich, im rechten Hintern tut es weh. Das ist jetzt nicht so aufregend. Das ist gut definiert. Man kann ganz gut beschreiben, wie es sich anfühlt. Wenn der Schmerz chronischer wird, spricht man von einem chronischen Schmerz so nach drei bis sechs Monaten. Dann vergehen diese Schutzfunktionen. Dann macht es keinen Sinn mehr, in einer gebückten Haltung zu bleiben oder zu ruhen, weil der Schmerz nicht reagiert auf das, worauf ein akuter Schmerz reagiert. Natürlich fängt man dann an, ein bisschen zum Gedankenkreisen, wie ist es mit dem Schmerz, warum ist er noch immer da? Das heißt, auch der psychische Einfluss, das, was der Schmerz mit mir macht, das ändert sich. Der wird mit der Zeit immer größer und immer wichtiger, weil wir ja, wie der Thomas Bernhard schon schön gesagt hat, nicht nur Bündel aus Organen sind, wir sind ja ein ganzer Mensch und haben mehrere Faktoren. Das heißt, der chronische Schmerz äußert sich auch wesentlich grober. Da kann man dann immer unterscheiden, da sagt man, das ganze Bein tut mir weh oder der ganze Rücken tut weh, nicht nur Teile davon. Es kommt zur Muskelverspannung. Das heißt, der ist einfach schlechter definiert und braucht dann doch eine konsequente Behandlung.

Was braucht er denn konkret, der chronische Rückenschmerz?

Der chronische Rückenschmerz, da geht es dann schon darum, dass man abklärt, ob nicht andere Ursachen zur Verfügung stehen. In der Medizin haben wir da sogenannte „Flaggen“. Das heißt, wie bei einer Ampel, Grün: da ist nichts gefährlich, und Rot: da ist wirklich etwas Gefährliches dahinter, was einfach konsequent behandelt gehört. Da muss man dann zuerst einmal abklären. Das heißt, das ist wichtig. Was trotzdem zu sagen ist: Auch wenn ein Schmerz zur Chronizität neigt oder neigt, dass er chronisch wird, ist es nicht so, dass alles gefährlich ist und Hopfen und Malz verloren ist und man ist jetzt ein chronischer Patient. Man muss den Schmerz heute nur von mehreren Seiten fassen. Und eines möchte ich immer dazu sagen: Der wichtigste Behandler oder der Part, der am meisten tun muss, sind immer Sie als Patient. Der Arzt oder der Therapeut wird Sie nicht heilen. Er wird Ihnen helfen, und er wird Ihnen den richtigen Weg zeigen. Aber das meiste müssen Sie selbst tun.

Wir reden jetzt eigentlich die ganze Zeit vom Schmerz, und jetzt interessiert mich, wie oder woraus besteht denn ein Schmerz, oder wie setzt sich der zusammen?

Zum Schmerz muss man prinzipiell sagen, wenn man nimmt, wie die WHO beziehungsweise die International Association for the Study of Pain (IASP) das 2020 beschrieben hat. Sie schreibt: „Der Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder einer solchen ähnelt“. Sie sehen, das sind sehr viel „es könnte so sein“ drin. Wichtig ist, dass das von einem Sinneserlebnis spricht. Das heißt, das ist das, was man spürt, und von einem Gefühlserlebnis, das ist das, was man bewertet oder wie man das Ganze bewertet. Und wir haben beim Schmerz einfach verschiedene Komponenten. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, Es fahrt ein in den Rücken, dann merken Sie einmal, ja, da rechts im Kreuz tut es weh und das zieht. Das ist einmal etwas, was die Rezeptoren, die man haben, also die Abnehmer, die Kälte, Wärme, Schmerz und sonst was einmal anzeigen. Die schlagen an, die sagen uns das. Wir erinnern uns, „Ah, das habe ich schon gehabt vor zwei Jahren, das ist ein Kreuzschmerz, und nach zwei Tagen war er weg“. Das ist einfach eine Erfahrung, die man hineinbringt. Aber dann gehen wir her und bewerten das. Stellen Sie sich vor, vor zwei Jahren ist der Schmerz gerade aufgetreten, als Sie in einer Scheidung waren und die Schwiegermutter hat Terror gemacht. Dann haben Sie da gleich auch eine emotionale Bewertung von dem Schmerz. Das heißt, das kann zu einer Chronizität beitragen, und diese Komponente ist gar nicht klein. Und wenn jetzt zum Beispiel ein Arzt bei Ihrem Kreuzschmerz auch die psychische Komponente anspricht, das heißt nicht, dass Sie ein psychisches Problem haben. Jeder von uns reagiert auf Schmerz emotional. Man könnte es vielleicht vergleichen mit Lernen. Wir lernen quasi Schmerz, genauso wie man Englisch lernt. Das machen wir auch unabsichtlich. Wir lernen einfach das, und wir können leider auch chronisch lernen. Deswegen ist es auch wichtig, dass man das nicht weglässt. Und dann hat der Schmerz natürlich auch eine Komponente: Wenn es jetzt wirklich sehr wehtut, kann es sein, dass Sie schwitzen oder dass Sie sich richtig kollabieren fühlen, oder dass Ihnen schlecht wird. Sogar so eine Komponente, man nennt es vegetativ, kann ein Schmerz haben.

Das spielt viel mit ein in dem Schmerz. Also nicht nur jetzt der Rücken an sich oder die Wirbelsäule an sich, sondern auch das ganze Umfeld.

Das beschreibt es eigentlich sehr gut. Wir beschäftigen uns in unserer Ambulanz sehr viel mit hochchronischen Patienten. Und wenn man schaut, was da Einflussfaktoren sind, die fangen an bei „Sie haben einmal einen Unfall gehabt, seitdem haben Sie Kreuzschmerzen, aber da läuft noch ein Prozess, der belastet Sie jeden Tag“. Das sind Belastungen. Man kann sich das so vorstellen: Vielleicht kennt jeder von Ihnen, wenn eine Liebe nicht so gut funktioniert hat. Ja, dann bekommt man rein körperlich „Herzschmerzen“, man zeigt Symptome, man schwitzt, man ist müde, man ist fertig. Da ist gar nichts passiert mit dem Körper. Das ist ein reines Gefühlserlebnis, das Ihnen dieser Herzschmerz macht.

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Und wann muss ich dann zum Arzt oder zur Ärztin gehen?

Wichtig ist vor allem, zum Arzt oder zur Ärztin zu gehen. Einerseits, wenn die Schmerzen nach einigen Tagen in einer wirklich hohen Stärke anhalten. Das ist sicher wichtig, weil dann sollte man schauen, dass man mit Schmerzmedikamenten und gezielten Interventionen den Schmerz einfach schnell auf ein Niveau bringt, wo Sie sich wieder bewegen können. Bewegung ist ein ganz wichtiger Aspekt für den Rücken. Weiter soll man zum Arzt gehen, wenn man irgendwelche Ausfälle hat. Das heißt, wenn Taubheiten auftreten, zum Beispiel an Armen oder Beinen, je nachdem, wo der Rückenschmerz ist, wenn Sie auf einmal in der Beweglichkeit eingeschränkt sind. Und ich meine nicht, dass Sie jetzt nicht gescheit aufstehen können, sondern ich meine, dass ein Bein zum Beispiel ein bisschen schwächer ist. Das ist ein Punkt, wo man unbedingt zum Arzt gehen sollte, weil da muss man danach abklären, ob spezifische behandlungspflichtige Ereignisse dahinterstehen.

Und wenn wir vom Arzt oder der Ärztin sprechen, welche sind denn da gemeint?

Ich würde sagen, wir haben ein gutes Versorgungssystem in Österreich. Ich glaube, der Hausarzt ist einmal der erste Ansprechpartner. Der ist so der Manager Ihrer Gesundheit, vom Zucker bis zu den Nerven und vom Kreuzweh bis zu anderen Leiden. Der weiß gut, wo er Sie hinschickt, wenn er weitere Expertise braucht. Also, ich glaube, der Hausarzt ist ein guter Ansprechpartner. Wenn Sie natürlich Therapeuten haben in Ihrem Umfeld, Physiotherapeuten, zu denen Sie guten Kontakt haben, die sind auch gut vernetzt in dem System und können sicher auch weiterhelfen, wo Sie am besten hingehen.

Welche Behandlungen gibt es denn für den Rückenschmerz? Und vielleicht könnten wir da gleichzeitig hinschauen, wenn wir jetzt darauf schauen, was kann denn getan werden, oder was kann ich denn selber tun? Gibt es da unterschiedliche typische Rückenschmerzen für unterschiedliche Altersgruppen?

Zur ersten Frage: die Behandlung. Behandlung richtet sich, wir nennen das so schön, nach einem biopsychosozialen Modell. Heute geht man eher davon aus, dass der Mensch eben nicht ein mechanisches Wesen ist, sondern dass er einen Anteil an Seele hat, dass er in ein Sozialsystem eingebettet ist und natürlich die Mechanik hat, und wichtig ist, dass man da behandelt. Wenn ich jetzt einen akuten Rückenschmerz habe, ist es oft sinnvoll, zum Beispiel ein Schmerzmittel zu bekommen. Es ist aber durchaus auch sinnvoll, wieder in die Bewegung zu kommen. Da kann ein Physiotherapeut helfen. Wir haben Stromtherapien, wir haben zusätzliche Therapien. Bei den Medikamenten hätte ich vielleicht noch etwas gesagt, weil Medikamente so im Raum schweben. Jeder hat daheim ein paar Medikamente im Medikamentenschrank. Das sind meistens Medikamente, die aus einer entzündungshemmenden Gruppe kommen. Das kann am Anfang ein sehr gutes Medikament sein, ist aber dann für längerfristige Therapie nicht so geeignet. Da macht man mit einem vermeintlich harmlosen Medikament oft wesentlich mehr Schaden, an der Niere zum Beispiel. Gerade wenn man zusätzliche Erkrankungen hat, wie zum Beispiel einen Diabetes, kann das gar nicht so ungefährlich sein. Auf eines möchte ich vielleicht noch eingehen, weil man es ja in jeder Zeitung liest: auf die Cannabispräparate. Da hätte ich nur einen kleinen Hinweis. In der Zeitung liest sich das alles so schön, so wie das ideale Medikament. Man muss bedenken, dass ein Medikament wie jedes andere Wirkungen und Nebenwirkungen hat und einfach nicht für jeden geeignet ist. In weiterer Folge behandeln wir oft mit eigenartigen Medikamenten. Auch das soll Sie nicht unbedingt abschrecken. Wir arbeiten zum Beispiel mit diversen Medikamenten aus der Antidepressiva-Gruppe, oder wir arbeiten mit Medikamenten, die aus der Epilepsie-Gruppe kommen. Diese Medikamente verwendet man deswegen, weil die Schaltstellen der Nerven immer über die gleichen Stoffe reden, ganz egal, ob es im Hirn sind oder ob es irgendwo im Bein sind, nur dort machen sie etwas anderes. Also, wundern Sie sich nicht und fragen Sie nach. Sie sind der Manager Ihrer Gesundheit. Das heißt, es ist immer gut, wenn man ein bisschen etwas weiß über das, was mit einem geschieht. Und vielleicht zur zweiten Frage, die speziellen altersbezogenen Rückenschmerzen. Da muss man natürlich sagen, wir verschleißen. Wir beginnen im juvenilen Alter, also, was weiß ich, mit dem Erwachsenwerden beginnen wir zu verschleißen. Jeder von Ihnen weiß, dass man im Alter ein bisschen an Größe verliert. Vielleicht nicht an geistiger Größe, aber zumindest an Körpergröße. Das ist, weil die Bandscheiben zum Beispiel Flüssigkeit verlieren und weil wir ein bisschen zusammenrücken. Dann werden die Reserveräume, die anfangs sehr groß gestaltet sind, einfach weniger, und die Chance, dass es einmal wehtut, wird mehr. Auch Osteoporose ist sicher eine Altersgeschichte. Es gibt natürlich auch spezifische Rückenschmerzen durch Verkrümmungen der Wirbelsäule in der Jugend. Aber da muss man sehen, das sind einfach seltenere Ereignisse. Diese üblichen Rückenschmerzen durch Degeneration ist einfach der Großteil, wo Schmerzen auftreten. Und bei den Behandlungen, wie gesagt, sehr bald sollte einfach Bewegung in der Behandlung mitbedacht werden und auch wirklich konsequent gemacht werden. Und das muss nicht immer etwas ganz Professionelles oder ganz Spezielles sein. Da kommen wir auch ein bisschen zur Vorbeugung. Da ist es schon wichtig, dass man sich immer ein bisschen bewegt und einen Ausgleich hat. Dass man immer wieder mal innehält und schaut, was macht eigentlich meine Psyche mit dem Schmerz? Das wäre vielleicht auch ganz wichtig, und auch das Soziale spielt natürlich eine große Rolle. Da kann man auch schauen, kann man da etwas richten, kann man es besser sortieren und ein bisschen auseinanderhalten.

Jetzt sind wir eigentlich schon bei der Frage, was kann ich denn selbst tun beim Rückenschmerz? Wenn ich das kurz zusammenfasse, Sie haben jetzt des Öfteren gesagt, neben den Medikamenten, die ich vom Hausarzt, Hausärztin oder Facharzt bekomme, dass ich auch selber – ich bin Chef meiner Gesundheit – ich kann selber etwas tun beim Rückenschmerz. Konkretes Beispiel, was kann ich denn tun?

Mein Credo ist sicher: Bewegung, Bewegung, Bewegung. Die Bandscheiben ernähren sich durch Bewegung. Auch der Knorpel, der jetzt die Knochen überzieht und die Gelenksflächen gestaltet, auch der ernährt sich durch Bewegung. Das heißt, die Volksmeinung „Wenn man etwas tut, ich habe so viel getan, deswegen habe ich Kreuzweh“, die ist nicht ganz zulässig. Wenn ich nichts tun würde, wäre ich wahrscheinlich schneller an dem Punkt, wo ich wirklich Kreuzschmerzen entwickle, weil dann fehlt mir die Stützmuskulatur, dann habe ich einfach keine Stabilität. Das ist ganz wichtig. Natürlich brauchen Sie auch Entspannungsphasen. Wenn ich nur durchs Leben rase, dann drückt es auch auf meinen Rücken. Dann trage ich einfach mehr Gewicht. Und auch das verstärkt Rückenschmerzen. Es können in der Akutphase zum Beispiel Wärme oder Kälte – das ist unterschiedlich, vor allem das, was angenehm ist – durchaus helfen. Und wenn Sie Salbe daheim haben, Salben sind zwar medikamentös nicht so wirksam, haben aber trotzdem einen relativ guten Effekt, weil man einfach Aufmerksamkeit dorthin lenkt und schaut, dass die Bewegung wieder besser wird. Es bleibt trotzdem bei Bewegung, Bewegung, Bewegung, und schauen Sie, dass Sie möglichst schnell dorthin kommen. Und vielleicht auch noch der Krankenstand ist so eine Geschichte. Der Krankenstand sorgt dafür, besonders wenn er länger dauert, dass wir uns vielleicht kränker fühlen, dass wir rausfallen aus einem üblichen sozialen Gefüge. Das heißt, unsererseits ist die Bestrebung immer, die Leute so gut wie möglich wieder an den Arbeitsplatz zurückzubringen. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Botschaft. Man denkt immer „schonen“, „da muss man sich schonen“, „vielleicht noch eine Woche, vielleicht noch eine Woche“. Der Wiedereinstieg wird immer schwerer. Bewegung, Bewegung, Bewegung.

Noch einmal komme ich darauf zurück, weil das so ein einfaches Hausmittel ist, dass Sie jetzt genannt haben: Muss ich mich jetzt unbedingt in einem Sportstudio einschreiben und dann dort mit Hanteln und so weiter trainieren, oder was kann ich denn konkret tun?

Das müssen Sie natürlich nicht. Zu bedenken ist, ich habe erst einmal von der einseitigen Arbeit gesprochen, dem Sitzen zum Beispiel. Wir haben im Körper immer zwei Gegenspieler-Muskelgruppen, das heißt eine zum Beugen, eine zum Strecken. Ich glaube, es gibt zum Beispiel auf YouTube sehr viele Übungsserien in jeglicher Stärke. Suchen Sie sich so etwas. Sie können nicht so viel falsch machen. Der Mensch ist dazu gebaut, dass er sich frei in alle Richtungen bewegen kann. Das heißt, Sie brauchen nichts Hochspezifisches. Natürlich, wenn man sagt, es geht um den Rücken, kann man da besser googeln, vielleicht in Richtung Rückenschmerz, und wenn man Zeit hat, bieten auch Volkshochschulen zum Beispiel sehr viele Übungskurse an, auch Rückenübungskurse. Da kann man durchaus teilnehmen, und ich glaube, die soziale Erfahrung ist auch durchaus brauchbar.

Jetzt fasse ich das kurz zusammen. Also, wenn ich Rückenschmerz habe, dann kann ich selbst zu Hause etwas tun, damit ich in Bewegung komme. Da haben Sie genannt, da wäre zum Beispiel YouTube eine Fundgrube an Übungen. Aber vorher haben Sie schon gesagt, ich kann natürlich auch den Experten oder die Expertin wie einen Physiotherapeuten kontaktieren. Ich kann mich, weil Sie auch gesagt haben, es ist wichtig, nicht ewig im Krankenstand zu sein, weil das meistens nicht verbessert, wieder in die Struktur eingliedern und vielleicht sogar wieder zur täglichen Arbeit gehen. Dass möglichst mit Bewegung verbinden, kann ich ja früher aussteigen zum Beispiel, oder?

Wäre zum Beispiel eine gute Möglichkeit, auch einmal nicht mit dem Lift zu fahren, sondern die Stiegen zu nehmen. Es geht wirklich um die Bewegung, die einfache Bewegung. Es geht nicht um den Spitzensport. Bewegung ist das, was der Mensch definitiv braucht, um den Rücken gesund zu halten.

Dann haben Sie noch gesagt, Wärme oder Kälte je nach Bedarf, das kann unterschiedlich sein. Und dann haben Sie auch neben den Schmerzmedikamenten noch die Salbe genannt. Haben wir da Beispiele?

Ich glaube, da können Sie sicher in der Apotheke fragen. Da kann die Apothekerin sicher weiterhelfen, welche Salbe es gibt, da gibt es genug schmerzreduzierende Salben. Da ist eben auch ganz gut die Berührung, quasi das Begreifen von der schmerzhaften Region. Das sehe ich schon als wichtig an. Man muss das wahrnehmen. Und wir bekommen sehr oft vermittelt, wenn man in die Zeitung schaut und da sehen wir die Gesundheitsseite: „Wir können alles heilen, alles ist weg. Wir machen nur einen Fingerschnips. Es gibt für alles eine Lösung“. Ganz so ist es nicht. Wie ich bereits gesagt habe, der Schmerz ist wichtig für uns, dass wir die Umwelt wahrnehmen und dass wir uns da sicher bewegen können. Und deswegen ist es wichtig, auch den Schmerz vielleicht als Partner zu sehen. Ein Partner ist auch nicht jeden Tag der angenehmste. Es gibt bessere und schlechtere Tage. Trotzdem versucht man, damit umzugehen und einfach einen guten Deal zu finden. Das würde ich Ihnen beim Rückenschmerz empfehlen.

Also hinschauen, nicht Augen zumachen und durch, sondern wirklich bewusst einmal hinschauen: Woher, wann, wie fühlt es sich an?

Genau, das ist wichtig. Und dabei sollten Sie bedenken: Der weitaus größte Teil der Rückenschmerzen ist einfach ungefährlich. Die gefährlichen Rückenschmerzen sind eine ganz, ganz kleine Zahl. Die bewegen sich wahrscheinlich im kleinen einstelligen Prozentbereich, wo man genauer hinschauen muss. Das heißt, die meisten Rückenschmerzen sind ungefährlich.

Und für mich sehr spannend war jetzt auch das Thema Stress. Das ist überraschend, dass der Stress so Auswirkungen auf den Rücken haben kann.

Der Stress lässt uns einfach unser Leben bewerten. Sie wissen das: Wenn Sie gestresst sind und heimkommen, die zwei Kinder toben durch die Wohnung, reagieren Sie anders, als wenn Sie jetzt wirklich ein schönes Wochenende haben. Die Kinder toben durch die Wohnung, Sie sitzen beim Tee, die Reaktion ist eine ganz andere. Das Gleiche macht man beim Schmerz auch. Wenn man gestresst ist, ist er einfach nur ein Klotz am Bein, der uns fast ein bisschen daran hindert, normal zu denken und normal zu reagieren. Und wenn man das immer wieder übt, dann wird es zu einer Reaktion, die man sich so zu eigen macht, dann reagiert man immer so darauf, und das kann dazu führen, dass ein Schmerz leichter ins Chronische abdriftet. Das heißt, da ist es vielleicht ganz sinnvoll, dass man sagt: „Gut, ich brauche jetzt trotzdem mal eine Pause, setz mich hin, höre eine halbe Stunde nur Musik, ohne irgendetwas anderes zu machen, entspanne mich einfach, bringe mich wieder ein bisschen herunter auf ein Niveau, wo man sagt: Gut, jetzt kann ich wieder normal“. Es gilt wahrscheinlich für viele Lagen des Lebens, nicht nur die, wo man Rückenschmerz hat.

Fällt mir jetzt im Gespräch auch ein, wir sollten mal eine Folge machen zu Stress beziehungsweise besser zu Entspannung. Das ist jetzt gleich ein Hinweis, den ich mir vergessen zu fragen: Was wäre denn jetzt für unsere Hörerinnen und Hörer noch wichtig zu wissen?

Wir sollten versuchen, ein gesundes Leben zu führen. Wenn ich das ein bisschen zusammenfasse, werde ich jetzt ganz andere Sachen nennen, die man vielleicht nicht so in Zusammenhang mit dem Rückenschmerz bringt. Ich würde schauen, dass man genug lacht, dass man Freude am Leben entwickelt, dass man in Bewegung bleibt. Bewegung muss nicht Quälerei sein. Und ich weiß, der innere Schweinehund sagt: „Heute bin ich so fertig, jetzt gehe ich nicht raus, gehe nicht hinunter spazieren, sondern setze mich lieber hin und schaue mir einen Film an“. Es kann sehr viel Spaß machen, wenn man den ab und zu überwindet, und natürlich ist es bequem, in den vierten Stock mit dem Lift zu fahren. Glauben Sie uns nicht, ich habe den gleichen Schweinehund auch. Ich muss immer mit ihm kämpfen. Aber es macht dann doch Spaß, wenn man mal gegangen ist und wieder kurz außer Atem ist. Die Entspannungsphasen haben wir zuerst gerade genannt, und wichtig ist auch, dass man versucht, ein bisschen Hilfe anzunehmen. Wenn man Hilfe sucht und eigentlich gar nicht will, dann kommt recht wenig an, dann bleibt nur der Ärger: „Warum will der etwas, was ich nicht will?“. Also, ich glaube, wenn Sie zum Hausarzt gehen oder zum Therapeuten, ist es wichtig, mit dem auch zu besprechen, was Sie wollen und was er vorschlägt, und dann zu schauen, dass man einen tragfähigen Kompromiss findet. Das macht keinen Sinn, wenn ich sehr viele Tabletten verschreibe und Sie wollen sie sowieso nicht nehmen, weil Sie keine Tabletten nehmen wollen, dann sind wir nicht auf dem guten Zweig. Das ist einfach wichtig, dass Sie auch dahinschauen. Magazine, Gesundheitsseiten – das ist natürlich teilweise richtig, aber nehmen Sie nicht alles für Wahrheit. Und dann auf eine Sache wollte ich noch gerne eingehen: Ein Rückenschmerz ist so häufig, dass er sehr, sehr viel Geld kostet. Sehr viel unseres Sozialbudgets, das für Krankheiten ausgegeben wird, wird für Rückenschmerz ausgegeben. Auf der einen Seite für die Behandlung von Rückenschmerz, auf der anderen Seite auch natürlich in der Arbeitswelt für Arbeitsausfälle und sonst was. Nachdem da so viel Geld drin ist, gibt es an jeder Ecke ein Gerät, das einem die Rückenschmerzen wegmacht. Es gibt dubioseste Therapien, die den Rückenschmerz wegmachen sollen, die vor allem hauptsächlich Geld kosten. Im Zweifelsfall holen Sie sich eine Zweitmeinung und vertrauen Sie nicht auf jeden Einflüsterer, weil die Nachbarin halt irgendwo bei der Busreise eine Methode entdeckt hat, wie man den Rückenschmerz wegbringt, ist nicht immer der beste Ratgeber.

Vielen Dank für den wichtigen Hinweis: Zu Hause, bitte schauen Sie immer darauf, was kostet denn das Ganze, und holen Sie sich immer gern die Meinung von einem Experten oder von einer Expertin.

Ich glaube, jetzt sind wir schon am Ende unseres Podcasts angelangt, und am Ende darf ich immer dieselbe Frage stellen, nämlich: Was ist denn Ihr Tipp für ein gesundes Leben?

Mein Tipp für ein gesundes Leben: Ich glaube, man hat nur ein Leben. Es ist immer das eigene Leben. Das heißt, es macht nicht sehr viel Sinn, zu vergleichen, wie es dem Nachbarn geht, weil man meistens für sehr viele Teile des Lebens selbst verantwortlich ist. Und da gehört halt dazu auch der Körper, den sollte man gesund erhalten. Unsere Volksleiden Adipositas, Bewegungslosigkeit und Stress – ja, auch vielleicht bei denen ein bisschen anzugreifen und zu schauen, ob man etwas optimieren kann.

Vielen Dank für den wunderbaren Tipp. Das war es für heute. Danke, Herr Dr. Kern, dass Sie sich die Zeit genommen haben und zu mir gekommen sind heute.

Ich danke für die Einladung.

Ich hoffe, dir zu Hause hat diese Folge gefallen, und du bist auch das nächste Mal wieder mit dabei. Wenn du mehr zum Thema Gesundheit wissen willst oder den Podcast nachhören möchtest, dann schau auf unserer Webseite gesund-informiert.at. Wenn du Themen für uns hast, die dich interessieren, dann schreibe uns unter gesund-informiert@gfstmk.at. Wir freuen uns schon auf ein Wiederhören. Bis dahin bleibt gesund und informiert. Baba, Bianca und Anja von „Gesund informiert“, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht.