Folge #12 Impfungen: Was bringt uns der Stich?
Das Thema Impfen ist in aller Munde und erhitzt die Gemüter. Die Entscheidung, ob man sich impfen lassen soll oder nicht, ist schwierig.
In der Folge #12 des „Gesund informiert“-Podcast erklärt Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, was nach dem Stich im Körper passiert, dass Impfen schon in der Ming-Dynastie üblich war und was die Vor- und Nachteile einer Impfung sein können. Außerdem erfahren Sie, was Impfungen mit Süßwaren zu tun haben und wozu die Körperpolizei trainiert wird.
Gast: Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, NY
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Text zur Folge
Aber natürlich ist es so, dass mit dem Aufkommen von Impfungen Infektionskrankheiten wahnsinnig stark zurückgegangen sind.
Willkommen bei „gesund informiert“, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht. Wir sind Anja und Bianca von „gesund informiert“ und wir versorgen dich mit Fakten zum Thema Gesundheit.
Ach, wie bin ich aufgeregt. Wir sind nämlich heute mit New York verbunden – noch dazu zu einem Thema, das aufregt: das Impfen. Weil Anja und ich aber wenig darüber wissen, was das Impfen für den Einzelnen oder für eine ganze Gesellschaft bedeuten kann, und uns interessiert, wie sich das Impfen entwickelt hat, haben wir einen Steirer eingeladen, der in New York sitzt und zu diesem Thema arbeitet und forscht. Universitätsprofessor Dr. Florian Krammer, herzlich willkommen zum „Gesund informiert“-Podcast und danke, dass Sie so früh für uns aufgestanden sind.
Ja hallo, danke für die Einladung.
Sie werden also heute unsere Fragen beantworten. Wie kommt es denn, dass Sie so viel über das Impfen wissen? Und bitte stellen Sie sich selbst kurz vor.
Ich bin auch Steirer, ich bin auf der Pack aufgewachsen – also an der Kärntner Grenze eigentlich, hart an der Grenze – und ich habe mich als Kind schon sehr für Natur interessiert und bin dann aufs Gymnasium in Kirchbach gegangen. Und von dort bin ich dann an die Universität für Bodenkultur nach Wien und habe mich dann im Laufe des Studiums wirklich auf Impfstoffe fokussiert und auf Viren. Dazu habe ich auch meine Dissertation gemacht. Ich habe Praktika bei der Firma Baxter in Ort an der Donau gemacht. Mittlerweile gibt es die nimmer, aber ich habe da eben in der Impfstoffproduktion gearbeitet. Habe dann meine Dissertation abgeschlossen und bin von dort nach New York an die Icahn School of Medicine at Mount Sinai und da arbeite ich an Influenzaviren – vor allem – und Impfstoffentwicklung seit 2010.
Influenzaviren, das sind die Grippeviren, stimmt’s?
Genau, das sind Influenzaviren, die lösen Grippe aus.
Es gibt ja momentan sehr viel Aufmerksamkeit für das Thema Impfen. Aber Impfen an sich ist ja nichts Neues. Wie hat sich denn das Impfen geschichtlich gesehen entwickelt und was hat es uns gebracht?
Na ja, das ist eine sehr interessante Entwicklung. Also ich glaube, das erste Mal gesichert von einer Impfung kann man reden in China aus der Ming-Dynastie. Und zwar hat man dort – es gab ja wahnsinnig große Pockenepidemien in der Geschichte – und das Pockenvirus ist ein recht gefährliches Virus, das eben 20 bis 30 % der Leute, die es infiziert, wirklich tötet. Und da hat man eben versucht: Was kann man dagegen machen? Die haben da damals Pocken – also so Bläschen auf der Haut – abgenommen. Und die Leute in China haben dann angefangen, dieses Material von den Bläschen abzukratzen, von jemandem, der krank war, das zu trocknen und das dann quasi durch die Nase zu schnupfen. Wenn man das macht, ist es zwar auch gefährlich – da sterben etwa 0,5 bis 2 % der Leute, die das machen –, aber das ist halt viel weniger als 20 bis 30 %. Und das ist im Prinzip der Ursprung der Impfung, könnte man fast sagen. Das ist traditionelle chinesische Medizin. Das hat sich dann auch in Europa verbreitet – in der Türkei, in Indien und Äthiopien weiß man davon. Und das war nach wie vor recht gefährlich, hat aber eben vor einem schweren Verlauf oder teilweise vor Pocken geschützt.
Und wenn man dann schaut: 1796 hat der Edward Jenner in Großbritannien eben beobachtet, dass Leute, die mit Kühen arbeiten und gelegentlich mit dem Kuhpockenvirus in Berührung kommen, nicht an Pockenviren erkranken. Und der hat dann eben die Hypothese aufgestellt: Wenn man Leute mit dem Kuhpockenvirus infiziert – das ist beim Menschen sehr mild –, dann kann man die vielleicht gegen das menschliche Pockenvirus schützen. Der hat das dann ausprobiert, und das hat funktioniert. Und das war im Prinzip die erste Impfung.
Das musste man nicht schnupfen, das war dann schon tatsächlich eine Impfung?
Genau, das ist über die Haut injakuliert worden. Da hat man so eine Nadel, die quasi zwei Spitzen hat. Und damit hat man das in die Haut eingeritzt. Also wenn da Leute zuhören, die ein bisschen älter sind – bei denen ist das noch gemacht worden. In Österreich hat man irgendwann aufgehört, als die Pocken ausgerottet waren. Aber die Methode der Pockenimpfung hat sich bis ins 20. Jahrhundert gehalten.
Und erfolgreich, oder?
Bei der Pockenimpfung sehr erfolgreich. Die menschlichen Pockenviren sind ausgerottet worden. Es ist das einzige Virus, die einzige Erkrankung beim Menschen, die man wirklich komplett ausgerottet hat – das ist weg.
Gibt es noch weitere Impfbeispiele, die uns als Gesellschaft dienlich waren?
Na ja, grundsätzlich. Wir haben es geschafft, ein weiteres Virus auszurotten – das ist das Rinderpestvirus. Aber wie der Name schon sagt, ist das nicht im Menschen, sondern eben bei Rindern passiert. Aber natürlich ist es so, dass mit dem Aufkommen von Impfungen Infektionskrankheiten wahnsinnig stark zurückgegangen sind. Das hat man bei Polio gesehen, Masern, Mumps, Röteln und so weiter und so fort. Also es gibt wahnsinnig viele Erkrankungen, wo es jetzt wirklich kaum noch Probleme gibt bei uns. Vielleicht war das bei uns nie stark verbreitet, aber das ist auch bei der Gelbfieberimpfung so. Gelbfieber ist eine wahnsinnig schwierige Erkrankung. Und mit der Impfung ist das Problem im Prinzip verschwunden. Also Impfungen haben wahnsinnig starken positiven Einfluss auf die Gesundheit der menschlichen Population gehabt. Das sind viele Krankheiten, die man einfach nicht mehr kennt oder die ganz, ganz selten sind, weil eben die Leute geimpft sind.
Gelbfieber ist so weit weg, die Pocken sind ja längst vorbei, das berührt uns ja gar nicht mehr so. Und dann macht es das wirklich oft schwer zu verstehen, warum eine Impfung sinnvoll ist. Weil es ist so weit weg, oder? Da muss ich extra ins Ausland reisen. Gibt es da jetzt in Österreich für Österreich konkrete Beispiele?
Na ja, grundsätzlich die ganzen Standardimpfungen, die man eben bekommt. Eine Impfung, die sehr spezifisch für Zentraleuropa ist, ist FSME – oder die Zeckenimpfung, wie man bei uns so schön sagt. Die haben fast alle. Das ist natürlich auch wichtig, weil man eben von diesem FSME-Virus Gehirnhautentzündung bekommen kann. Und das ist in Österreich recht weit verbreitet. Aber da sind viele Leute geimpft. Es gibt viele Standardimpfungen, von denen wir sehr profitieren, an die man gar nicht mehr denkt. Wer denkt heute noch an Masern? Masern zirkulieren sehr selten. Natürlich gibt es immer wieder Ausbrüche in Populationen, wo die Impfung eben nicht so weit verbreitet ist. Leider. Das ist teilweise wieder im Kommen, in gewissen Gegenden, in gewissen Regionen. Aber grundsätzlich profitieren wir von all diesen Impfungen schon sehr stark.
Das ist ja womöglich auch dem Mutter-Kind-Pass gedankt, der ja im Vorsorgeprogramm auch diese Themen der Impfungen anspricht. Und der Mutter-Kind-Pass wird im Übrigen eines unserer nächsten Themen sein in diesem Podcast. Wovor kann uns eine Impfung überhaupt schützen, und was passiert nach dem Stich im Körper?
Na ja, grundsätzlich vor Infektionskrankheiten. Das kann entweder vor der Infektion sein – das ist bei einigen Impfstoffen so – oder vor der Erkrankung – das ist bei anderen Impfstoffen so. Was passiert da jetzt im Körper? Im Grunde ist es so: Im Impfstoff sind in der einen oder anderen Form Teile des Erregers enthalten. Das können wir später noch diskutieren. Und wenn man dem Körper diesen Krankheitserreger oder Teile davon zeigt, dann lernt der Körper, dass es diesen Erreger gibt. Dann kommt es dazu, dass das Immunsystem auf diese Teile reagiert. Das heißt, es wird trainiert. Und wenn es dann wirklich zu einer Infektion kommt oder wenn wir mit dem Erreger in Berührung kommen, dann hat das Immunsystem schon eine Abwehr aufgebaut – und dann kann man sich entweder nicht mehr infizieren (wie gesagt, das ist bei manchen Impfungen so) oder man wird eben nicht krank, weil es schon eine Immunantwort gegen diesen Erreger gibt. Und das passiert während der Impfung.
Der Erreger – was ist denn das?
Im Normalfall, wenn man von einer Impfung spricht, sind es entweder Viren oder Bakterien. Es gibt natürlich auch andere Krankheitserreger wie Parasiten und Pilze. Da schaut es mit Impfungen leider noch nicht so gut aus. Also eine Malaria-Impfung gibt es mittlerweile, aber die funktioniert nicht besonders gut. Das wäre ein Beispiel für eine Impfung gegen einen parasitären Erreger. Aber grundsätzlich reden wir bei Impfungen von Bakterien und Viren.
Das heißt, wenn ich das jetzt für mich zusammenfasse: Die Impfung bewirkt, dass meine Körperpolizei aufgestellt wird und dann sagt: „Du hast keine Chance bei mir, nimm den anderen“ – oder so ähnlich?
Ja, genau. Das kann man sich wirklich wie die Polizei vorstellen. Und die Polizei braucht Training. Wenn sie das Training hat, kann sie die Eindringlinge – in dem Fall den Erreger – erkennen. Ich weiß nicht, ob jemand, der hier zuhört, mal „Es war einmal das Leben“ gesehen hat – das war so eine Kinderserie, die das alles erklärt hat. Da wird es wirklich auch so als Polizei dargestellt. Das ist recht lustig, wenn man sich das anschaut. Man kann es sich wirklich so vorstellen. Und die brauchen Training. Wenn das Immunsystem nicht trainiert ist, dann dauert es viel, viel länger, bis der Erreger erkannt und bekämpft werden kann. Und das ist dann eben oft leider so, dass der Erreger schneller ist als das Immunsystem – und dann wird man krank. Wenn man aber das Immunsystem vorher trainiert, dann ist es vorbereitet – und dann wird man nicht krank oder kann sich teilweise gar nicht infizieren.
Wie lange hält denn ein Schutz nach einer Impfung an? Jetzt habe ich ja meinen Körper trainiert – wie hält das an?
Das kommt darauf an. Das kommt auf die Impfung drauf an und auf den Erreger. Es gibt Impfungen, die bekommt man einmal – und dann ist man eigentlich lebenslang geschützt. Bei der Pockenimpfung konnte man davon ausgehen, dass man lebenslang geschützt ist. Bei Gelbfieber hat man sehr langen Schutz – der kann durchaus lebenslang sein. Viele Leute, die gegen Hepatitis A geimpft wurden, haben einen sehr, sehr langen Schutz – teilweise lebenslang. Also da gibt es einige gute Beispiele. Bei anderen Impfungen muss man auffrischen. Aber das Immunsystem hat unterschiedliche Komponenten – unter anderem gibt es Gedächtnis-Immunzellen. Die sind vielleicht nicht besonders aktiv, wenn gerade kein Erreger da ist – die geben also keinen aktiven Schutz –, aber wenn der Erreger auftaucht, erkennen sie ihn und fangen an, wieder aktiven Schutz aufzubauen. Das kann von Vorteil sein – zum Beispiel bei Hepatitis B. Das ist auch eine Viruserkrankung. Wenn man sich mit Hepatitis B infiziert, dauert es sehr lange, bis die Krankheit entsteht. Also die Inkubationszeit – vom Zeitpunkt der Infektion bis zur Erkrankung – ist sehr lang. Und auch wenn man nicht genug Antikörper hat, um die Infektion gleich zu verhindern, hat das Immunsystem durch diese Gedächtniszellen Zeit, sich zu aktivieren. Dann baut sich ein Schutz auf – und der Erreger wird eliminiert, bevor man krank wird. Bei Influenza ist das leider nicht so. Da dauert es nur 24 bis 48 Stunden von der Infektion bis zur Erkrankung – und da hat das Immunsystem keine Zeit. Das heißt: Da muss zum Zeitpunkt des Kontakts mit dem Erreger schon ein starker Schutz vorhanden sein, damit man vor Infektion oder Erkrankung geschützt ist. Also wie gesagt: Es kommt ganz drauf an. Aber grundsätzlich merkt sich das Immunsystem vieles recht gut. Und wie bei FSME muss man es manchmal daran erinnern – was auch ganz normal ist.
Das ist jetzt spannend, finde ich. Weil: Wie erkenne ich denn, dass ich noch geschützt bin oder nicht mehr? Woher weiß ich, dass ich auffrischen muss?
Bei vielen Impfungen haben wir sogenannte Schutzkorrelate. Da kann man zum Beispiel Antikörper im Blut messen – und schauen: Wieviel ist da noch da? Reicht das noch? Bei manchen Impfungen – zum Beispiel Hepatitis A – kann man sogar ausrechnen: Okay, das reicht noch für so und so viele Jahre. Und dann muss man auffrischen. Der Arzt kann eine Bestimmung machen, also bestimmen, bei vielen dieser Impfungen – und dann sagen: „Sie brauchen eine Auffrischung“ oder „Sie brauchen keine“. Bei anderen Impfungen geht man einfach nach einem Zeitintervall: Nach so und so vielen Jahren sollte man wieder auffrischen. Da gibt’s beide Modelle. Aber grundsätzlich kann man sagen: Wenn Ihre Immunantwort noch stark genug ist – und das kann man messen –, dann sind Sie noch geschützt. Und wenn nicht, dann geht man auffrischen. Also das ist schon möglich.
Jetzt haben Sie gesagt, Antikörper – ist das mein Polizist?
Das ist ein Teil der Polizei, ja. Das ist sozusagen die Munition, die aus den Waffen kommt.
Und gibt es da einen Wert, der bei allen Impfungen gleich ist – wie hoch das sein muss? Oder ist das unterschiedlich, je nach Infektion?
Nein, das ist sehr spezifisch – virus- und impfstoffspezifisch.
Jetzt gibt es ja nicht nur unterschiedliche Impfstoffe, sondern unterschiedliche Impfstoffarten. Welche gibt's denn da? Was sind die Unterschiede und was sind die Vor- und Nachteile?
Ja, da gibt es mittlerweile sehr, sehr viele – das ist recht kompliziert. Also grundsätzlich, wenn man 50 Jahre zurückgeht, hat es zwei Arten von Impfstoffen gegeben: Lebendimpfstoffe – das sind abgeschwächte Erreger, die noch eine ganz leichte Infektion hervorrufen können, aber keinen Schaden anrichten und damit das Immunsystem trainieren – und abgetötete Impfstoffe, wo man den Erreger meistens chemisch abgetötet hat. Der kann sich dann nicht mehr vermehren, aber das Immunsystem erkennt ihn trotzdem.
Das sind die ursprünglichen Impfstoffe – Masern, Mumps, Röteln zum Beispiel, das ist ein Lebendimpfstoff, man nennt das attenuierter Lebendimpfstoff. Hepatitis A ist ein typischer abgetöteter Impfstoff. Dann ist es komplizierter geworden. Mittlerweile gibt es auch rekombinante Proteinimpfstoffe. Die kann man sich als einzelne Proteine vorstellen – also bestimmte Bestandteile des Virus – oder als virusähnliche Strukturen. Die hatten wir zum ersten Mal bei der Hepatitis-B-Impfung und bei der HPV-Impfung. Die funktionieren recht gut. Der Covid-19-Impfstoff von Novavax ist auch so einer. Dann gibt es RNA-Impfstoffe – die kennt mittlerweile jeder. Es gibt auch DNA-Impfstoffe, die ähnlich funktionieren wie RNA-Impfstoffe. Dann gibt es Glyko-Konjugatimpfstoffe – das klingt kompliziert, ist aber im Prinzip: Man verwendet Oberflächenzucker von Bakterien. Es gibt also eine große Anzahl an verschiedenen Arten, wie man Impfstoffe herstellen kann. Vektorimpfstoffe sind auch so ein Konzept – das wurde bei Covid-19 eingesetzt, aber auch schon davor. In der EU ist zum Beispiel ein zugelassener Ebola-Impfstoff ein Vektorimpfstoff – der war schon vor Covid-19 zugelassen. Also ja: Es gibt sehr viele unterschiedliche Arten mittlerweile, und da wird auch viel weiterentwickelt.
Da tut sich also sehr viel – aber dennoch ist es nichts Neues?
Die Wahrheit ist: Diese Impfstoffe werden schon lange entwickelt und sind für viele Zwecke in klinischen Studien gewesen. Gerade diese Adenoviren, die man als Vektoren verwendet, werden seit den 1970er Jahren beim US-Militär eingesetzt – bei Rekruten. Also sie sind relativ neu, aber nicht völlig neu. Impfstoffentwicklung ist grundsätzlich langsam. Und auch die mRNA-Impfstoffe – es ist nicht so, dass die jetzt zum ersten Mal am Menschen getestet wurden. Die werden seit Jahren in Studien getestet – für verschiedene Anwendungen. Jetzt ging es eben schneller – wegen der Pandemie.
Das ist ja fast ein bisschen beruhigend, dass die Herren und Damen Professoren auch nicht auslernen in der Forschung.
Na ja, man lernt in der Forschung nie aus. Und grundsätzlich muss man immer davon ausgehen, dass man falsch liegt. Wir hinterfragen uns ja die ganze Zeit. Das ist auch ein wichtiger Punkt – weil die Leute manchmal sagen: „Na ja, vor zwei Monaten haben Sie das gesagt, und jetzt sagen Sie das Gegenteil.“ Ja, aber wenn sich die Datenlage ändert oder verbessert, dann gibt es neue Erkenntnisse – und dann muss man auch anpassen, was man sagt. Das ist eben in der Wissenschaft so – dass sich Dinge ändern, wenn man mehr Forschung betreibt. Vor allem am Anfang, wenn etwas neu ist – das ist normal.
Was ist denn – neben den Erregern – noch Bestandteil einer Impfung?
Das kann man sich ein bisschen so vorstellen, wie wenn Sie eine Süßigkeit im Supermarkt kaufen. Da ist Zucker, Fett, Eiweiß drin – aber oft auch Zusatzstoffe. Und so ist es bei Impfstoffen auch. Manchmal braucht man Stabilisatoren. Manchmal sind chemische Rückstände noch in kleinen Mengen enthalten – zum Beispiel die Chemikalien, mit denen man Erreger abtötet. Und bei rekombinanten Proteinimpfstoffen – wie z. B. dem von Novavax – gibt man auch Adjuvantien dazu. Das sind Stoffe, die das Immunsystem anregen sollen, damit es besser auf die Impfung reagiert. Das ist in manchen Impfungen drin, in anderen nicht. Es kommt also wirklich auf den Impfstoff an.
Jetzt haben wir ja schon etliches gehört, das zeigt, dass eine Impfung sinnvoll ist. Aber wir haben über die Nachteile eigentlich noch nicht gesprochen. Man hört ja immer wieder von Nebenwirkungen oder Impfreaktionen. Was ist da der Unterschied – und was löst das eigentlich aus? Sind es die Zusatzstoffe oder der Erreger selbst?
Das ist auch wieder impfspezifisch. Aber grundsätzlich: Es gibt Nebenwirkungen, Impfreaktionen – z. B. wenn man sich impfen lässt und dann einen schmerzenden Arm hat oder sich am nächsten Tag etwas krank fühlt. Erhöhte Temperatur zum Beispiel – das kommt bei mRNA-Impfstoffen oder Vektorimpfstoffen häufiger vor. Das sind Reaktionen, die unangenehm sind, aber nicht gefährlich.
Was da passiert: Das Immunsystem erkennt den Erreger und reagiert. Da werden Botenstoffe ausgeschüttet – z. B. Interferon. Das ist ein Botenstoff, der auch bei echten Infektionen ausgeschüttet wird. Und Interferon ist einer der Gründe, warum man sich krank fühlt. Das geht normalerweise nach ein bis zwei Tagen wieder weg. Bei vielen Impfstoffen ist es sehr mild. Bei manchen Impfungen kann es unangenehmer sein – wie z. B. beim Gürtelrose-Impfstoff oder bei manchen Covid-19-Impfstoffen. Auch das ist ungefährlich, aber unangenehm. Dann gibt es seltene schwerere Nebenwirkungen. Bei Covid-Impfstoffen hat man z. B. sehr selten thrombotische Ereignisse gesehen – also Blutgerinnsel, die lebensbedrohlich sein können. Das ist sehr selten, kann aber vorkommen. Bei mRNA-Impfstoffen weiß man, dass es sehr selten zu allergischen Reaktionen kommen kann – meist bei Leuten, die schon auf andere Impfungen allergisch reagiert haben. Auch Herzmuskelentzündungen können in sehr seltenen Fällen auftreten – besonders bei jungen Männern. Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Bei Gelbfieberimpfstoffen z. B. ist es meist so, dass es bei Menschen passiert, die einen genetischen Defekt im Immunsystem haben. Dann ist das Virus nicht mehr abgeschwächt, sondern kann sich verbreiten – das kann bei Lebendimpfstoffen passieren. Es kann auch sein, dass das Immunsystem überreagiert – dann kann es z. B. körpereigene Proteine angreifen. Das kann zu Autoimmunreaktionen führen. Aber wie gesagt, die Dinge sind selten und wenn man sich anschaut, diese Phase 3 Studien werden ja bei relativ vielen Leuten durchgeführt, also bei Covid teilweise 30.000 bis 40.000 Leuten. Und da sieht man das dann gar nicht, weil es so selten ist. Und deswegen findet man das dann, wenn es verwendet wird, weil das eben ganz selten auftritt und in 30.000 - 40.000 Leuten einfach nicht detektierbar ist. Was ihnen aber sagt, wie sicher dass das ist.
Also ich verstehe dann schon den Gedanken: Ist jetzt die Impfung riskanter – oder wenn ich z. B. Gelbfieber hernehme, lasse ich mich impfen oder reise ich ins Land und riskiere, Gelbfieber zu bekommen? Aber man kann eigentlich zusammenfassend sagen, dass die Nebenwirkungen der Impfung, auch wenn sie drastisch sein können, extrem selten sind.
Ja, die sind extrem selten. Und bei Gelbfieber ist zum Beispiel das Problem, dass einen manche Länder gar nicht einreisen lassen, wenn man nicht geimpft ist. Also da kommt man ohne Impfung gar nicht rein. Und ja: Diese Nebenwirkungen sind wirklich selten – vor allem im Vergleich mit Medikamenten, die ganz normal verwendet werden und bei denen sich niemand Sorgen macht.
Zum Beispiel die Antibabypille – die hat eine viel höhere Rate an thrombotischen Ereignissen als die Vektorimpfstoffe gegen Covid.
Wenn es ums Impfen geht, geistert auch immer das Wort „Herdenimmunität“ herum. Was bedeutet das?
Wie der Name schon sagt – das kommt aus der Veterinärmedizin. Im Grunde bedeutet es: Wenn ein Großteil einer Population geimpft ist, kann sich ein Virus nicht mehr ausbreiten. Das sehen wir vor allem bei Erregern, wo der Impfstoff die Infektion komplett verhindert – und wo die ganze Bevölkerung geimpft werden kann. Bei Masern zum Beispiel. Wenn genug Leute geimpft sind, findet das Virus keine empfänglichen Personen mehr – und kann sich nicht mehr ausbreiten. Dafür müssen die die Durchimpfungsraten recht hoch sein, aber wenn sie hoch genug sind, kann man dann eben die Ausbreitung des Virus aufhalten. Das ist bei bei respiratorischen Viren wie jetzt das Sars-Coronavirus 2 oder Influenza auch extrem schwierig, vor allem, weil man eben nur teilweise einen Schutz vor einer Infektion mit der Impfung hat und großteils der Schutz vor der Erkrankung da ist und da kann man das Virus eben noch weitergeben. Beziehungsweise mit Covid haben wir jetzt das Problem, dass man bestimmte Bevölkerungsgruppen, anfangs Kinder unter 12 und jetzt Kinder unter 5 gar nicht impfen kann und die können das natürlich weitergeben und das untergräbt jede Herdenimmunität. Also wie gesagt, ich glaub auf das sollte man sich bei Covid 19 nicht verlassen, dass das Virus komplett verschwindet. Aber natürlich, wenn viele Leute Grundimmunität haben und sich weniger oft infizieren können beziehungsweise weniger lang infiziert sind, dann gibt es natürlich auch weniger Virus, das in der Population zirkuliert. Also wie gesagt, Herdenimmunität ist ein Begriff, der am Anfang der Pandemie oft verwendet worden ist. Er ist eigentlich in der Wissenschaft nicht mehr so oft verwendet, man hat das das Konzept ein bisschen verändert und nennt das jetzt Community Immunity, was es eher trifft, also wie ist eine bestimmte Population geschützt und nicht eine Herde.
So viele Fragen, weil es so ein spannendes Thema ist. Und jetzt nehme ich einmal an: Wir können Sie nicht einfach ständig anrufen, wenn wir etwas wissen wollen. Deshalb ist es wahrscheinlich auch für dich zu Hause interessant: Es wird eine Zusammenfassung dieser Sendung auf gesund-informiert.at geben. Dort schreiben wir auch dazu, wo du Rat und Hilfe findest.
So, das ist jetzt meine letzte Frage, lieber Florian Krammer: Was ist denn Ihr persönlicher Tipp für ein gesundes Leben?
Ja, das ist eine gute Frage. Wenn Sie eine Antwort darauf wissen – sagen Sie’s mir bitte! Grundsätzlich glaube ich, man muss aufpassen, was man isst, und man muss genügend Sport machen. Das ist mein Tipp für ein gesundes Leben. Und: Man sollte aufpassen, dass man nicht zu viel arbeitet – also eine gute Work-Life-Balance hat. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Das ist nicht so einfach.
Ja, das glaube ich gerne. Aber es klingt nach einer fantastischen Mischung. Die sollten wir alle anstreben. Das war’s für heute. Vielen Dank, lieber Florian Krammer, dass Sie Ihre Zeit und Ihr Wissen mit uns geteilt haben – und ganz liebe Grüße aus der schönen Steiermark nach New York!
Ja, danke.
Wir hoffen, dir zu Hause hat diese Folge gefallen – und du bist auch das nächste Mal wieder dabei.
Wenn du mehr zum Thema Gesundheit wissen willst oder den Podcast nachhören möchtest, dann schau auf unsere Webseite gesund-informiert.at. Wenn du Themen hast, die dich interessieren, dann schreib uns an gesund-informiert@gfstmk.at.
Wir freuen uns schon auf ein Wiederhören.
Bis dahin – bleib gesund und informiert!
Baba – Bianca und Anja von „Gesund informiert“, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht.