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Folge #11 Corona-Schutzimpfung: Fakten oder Fake News?

Zwei Virenzellen und eine Spritze.

Im Internet gibt es viele Behauptungen rund um die Corona-Impfung. Einige davon haben einen wahren Kern, andere können wissenschaftlich widerlegt werden. Eines haben alle diese Behauptungen gemeinsam: Sie verunsichern viele Menschen und machen Angst.

In der Folge #11 des „Gesund informiert“-Podcast beantwortet der steirische Virologe Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer die wichtigsten Fragen rund um die Corona-Impfung und erklärt, ob man von einer Placebo-Impfung Nebenwirkungen bekommen kann, was die Forschung bereits zu Long Covid weiß und ob die Impfung unsere DNA verändert.

Gast: Univ.-Prof. Dr. Florian Krammer, Icahn School of Medicine at Mount Sinai, NY

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Text zur Folge

Aber es ist nicht so, dass die zwei Impfungen, die man am Anfang bekommen hat, nicht mehr wirken. Das Virus ist us davon gelaufen, leider.

Willkommen bei „gesund informiert“, deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht. Wir sind Anja und Bianca von „gesund informiert“ und wir versorgen dich mit Fakten zum Thema Gesundheit.

Heute geht es um Mythen und Fakten rund um die Covid-19-Schutzimpfung. Normalerweise kommen unsere Gäste ja zu uns nach Graz, aber heute machen wir eine Ausnahme. Unser Gast, Universitätsprofessor Doktor Florian Krammer, sitzt nämlich in New York, wo er schon lange arbeitet, forscht und lebt. Wir möchten in dieser Folge über Behauptungen und Fakten aus dem Internet sprechen, die die Covid-19-Schutzimpfung betreffen – und ich glaube, wir werden draufkommen, dass nicht alles, was da herumgeistert, auch stimmt. Lieber Herr Dr. Krammer, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen und unsere Fragen heute beantworten. Für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer: Stellen Sie sich doch bitte noch einmal kurz vor.

Ja, hallo, mein Name ist Florian Krammer. Ich bin hier Professor am Department für Mikrobiologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York. Kurz zu meinem Hintergrund: Ich bin Steirer, ich bin auf der Pack aufgewachsen, bin dann zur Ausbildung nach Wien an die Universität für Bodenkultur, hab mich dort schon sehr stark mit Impfstoffentwicklung auseinandergesetzt und mit Virologie – habe damals bei der Firma Baxter Praktika gemacht – und bin dann 2010 in die USA gegangen. Ich forsche hier weiter an Impfstoffen und Viren.

Okay, perfekt. Danke für diese Vorstellung. Wir starten gleich mit einer recht aktuellen Frage. Und zwar: Vor circa zwei Wochen hat man in den Medien gelesen, dass auch Menschen, die eine Placebo-Impfung bekommen haben – also eigentlich eine Scheinimpfung ohne Wirkstoff –, Nebenwirkungen gemeldet haben. Wie gibt’s denn das?

Na ja, das ist ganz normal. Also man ist nicht immer gut drauf. Und dann ist es so: Bei diesen Impfstoffstudien weiß man ja nicht, ob man die Impfung bekommen hat oder eben eine Salzlösung, die meistens als Placebo verwendet wird. Und man muss dann eben Nebenwirkungen melden. So macht man eben Impfstoffstudien. Wenn es einem am nächsten Tag nicht gut geht – vielleicht weil man was Falsches gegessen hat oder man mit Kopfweh aufwacht –, dann sind das Nebenwirkungen. Und die muss man dann natürlich auch melden. Und wie gesagt: Man kann nicht davon ausgehen, dass es 100 % der Menschen immer gut geht. Das ist eben diese Basis an Nebenwirkungen, die jeder von uns jeden Tag melden würde. Also wenn ich in der Früh aufstehe, tun mir manchmal auch Sachen weh, ich hab Kopfweh, und manchmal geht’s mir auch nicht gut – das ist dann einfach kein guter Tag. Und das ist im Prinzip eine Nebenwirkung: wenn ich ein bisschen müde bin, und so weiter und so fort. Und das wird dann gemeldet. Und natürlich sieht man das auch in der Placebo-Gruppe. Deswegen ist es auch wichtig, dass man die Gruppe hat, weil man ja unterscheiden können muss: Was ist jetzt normal und was wird wirklich vom Impfstoff hervorgerufen?

Das heißt, die Nebenwirkungen könnten auch Zufall sein?

Das ist oft so, ja. Deswegen hat man eben diese Kontrollgruppen, damit man rausfiltern kann, was jetzt wirklich den Impfstoff betrifft und was einfach Zufall ist. Da gibt’s recht lustige Geschichten dazu. Ich weiß von einer Studie, die in Thailand durchgeführt wurde – eine Impfstoffstudie –, wo es zu sehr starken Nebenwirkungen durch Durchfallerkrankungen gekommen ist, aber eben auch in der Placebo-Gruppe. Und das war ein Impfstoff, der in einem Krankenhaus getestet wurde. Im Endeffekt war die Krankenhausküche für den Durchfall verantwortlich. Hätte man keine Placebo-Gruppe gehabt, hätte man wahrscheinlich gesagt, das hat der Impfstoff ausgelöst.

Vom Placebo kommen wir zu Omikron, der ja nicht mehr ganz so neuen Corona-Variante. Ersetzt eine Ansteckung mit Omikron die Impfung, oder macht Omikron die Impfung hinfällig?

Nein, überhaupt nicht. Das Problem, das wir jetzt sehen – da gibt’s ja mittlerweile schon wunderschöne Daten dazu, was mit dem Immunsystem passiert, wenn man sich mit Omikron infiziert hat –, was man sieht: Wenn man schon mal eine Infektion hatte – also nicht mit Omikron, sondern davor – oder wenn man geimpft ist und dann eine Durchbruchsinfektion bekommt, dann schaut es aus, als würde man durch Omikron eine recht starke und breite Immunantwort bekommen. Also Leute, die geimpft sind und dann Omikron bekommen, haben plötzlich auch eine super Immunantwort gegen Delta. Und das trifft auch auf Leute zu, die infiziert waren – am Anfang der Pandemie, sagen wir mal – und sich jetzt mit Omikron infizieren. Wenn man sich aber nur mit Omikron infiziert, dann hat man eine Immunantwort, die sehr gut gegen Omikron wirkt, aber nicht gegen Delta zum Beispiel. Das heißt, eine reine Omikron-Infektion ist kein gutes Argument zu sagen: „Ja, jetzt brauch ich mich nicht mehr impfen lassen.“ Da würde ich auf jeden Fall die Impfung empfehlen.

Das heißt also, Impfung plus Omikron wäre da die bessere Variante – sozusagen – oder mit der Impfung gegen Omikron gewappnet zu sein?

Genau, das ist eine andere Geschichte. Wir wissen ja mittlerweile sehr gut, dass zwei oder drei Impfungen – vor allem drei Impfungen – sehr gut gegen schwere Verläufe mit Omikron schützen. Drei Impfungen helfen oder schützen auch teilweise gegen eine Infektion mit Omikron. Also der Schutz ist ja nicht komplett weg. Die Impfung ist sehr empfehlenswert – auch gegen Omikron.

Welchen Einfluss haben dann generell diese neuen Varianten auf die Wirksamkeit der Impfstoffe? Weil auch Omikron verändert sich ja schon weiter. Kann man das sagen?

Ja, das ist natürlich problematisch. Einerseits: Wenn nur das alte SARS-Coronavirus von Anfang 2020 zirkulieren würde, wäre jeder, der zwei Impfungen hat, wahrscheinlich sehr gut geschützt. Das kann man schon sagen. Das Problem zwischendurch war Delta, und Delta ist einfach infektiöser und schwieriger aufzuhalten. Aber die Impfung hat nach wie vor gut dagegen geschützt. Und jetzt haben wir Omikron, das der Immunantwort – also den neutralisierenden Antikörpern, die wirklich eine Infektion verhindern können – recht gut entkommt. Aber wie gesagt: Wir haben nach wie vor einen guten Schutz gegen schwere Verläufe. Aber natürlich ist das ein Problem. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir einen Omikron-spezifischen Impfstoff brauchen, damit man eben die Anzahl an Infektionen senken kann – oder dass man Infektionen überhaupt verhindern kann, und nicht nur schwere Verläufe.

Aber das dauert natürlich.

Ja, das dauert ein bisschen zu lange. Die Impfstoffhersteller haben angefangen, sich im November/Dezember darauf vorzubereiten und den herzustellen. Und jetzt haben klinische Studien damit angefangen. Dann muss man auf die Resultate warten, dann muss das zu den Zulassungsbehörden, und die müssen sich das anschauen. Realistisch gesehen: Bis ein Omikron-spezifischer Impfstoff da ist, ist es wahrscheinlich später Frühling. Und das ist natürlich zu langsam, weil wir sehen: Bei den Omikron-Wellen – das geht schnell rauf und in vielen Ländern ist es auch schnell wieder weg. Ja, es wird wahrscheinlich ein bisschen zu spät kommen. Da muss man sich auch überlegen – von Seiten der Impfstoffherstellung, von Seiten der Zulassungsbehörden –, wie kann man das nächste Mal besser machen.

Okay, das heißt, wir lernen auch wieder aus der Pandemie?

Hoffentlich.

Jetzt waren wir schon bei den Impfstoffen. Und zwar kennen wir ja die Impfstoffe in Österreich hauptsächlich unter den Namen der Pharmafirmen, zum Beispiel Biontech/Pfizer oder Moderna. Warum sind eigentlich nicht alle Impfstoffe in Österreich zugelassen? Es gibt ja auch noch den chinesischen Impfstoff oder Sputnik. Warum gibt es die in Österreich nicht?

Da gibt es unterschiedliche Gründe. Grundsätzlich kann ein Impfstoff nur dann zugelassen werden, wenn ein Antrag auf Zulassung gestellt wird. Das muss bei der EMA gemacht werden, also bei der europäischen Zulassungsbehörde. Viele Impfstoffhersteller, die anderswo Impfstoffe vermarkten, haben keinen Antrag gestellt. Dann gibt es ein zweites Problem: Die EMA ist sehr genau, die wollen viele Daten haben. Wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden, kann man den Impfstoff nicht zulassen. Für den Sputnik-Impfstoff wurde ein Antrag gestellt und auch für den CoronaVac-Impfstoff aus China, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass die das Zulassungsverfahren schaffen. Die Anträge wurden vor einiger Zeit gestellt, aber da sieht man eigentlich kaum Fortschritt. Die europäische Zulassungsbehörde hat strenge Vorgaben. Wenn die nicht eingehalten werden, wird eben nicht zugelassen. Bei anderen Impfstoffen wie Novavax hat es einfach lang gedauert, bis alle Daten da waren. Die haben es am Ende geschafft, die ganzen Fragen der Zulassungsbehörde zu beantworten und die notwendigen Daten einzureichen – aber es hat eben länger gedauert als bei Pfizer, Moderna, AstraZeneca oder Johnson & Johnson. Also ja, da gibt es unterschiedliche Gründe.

Und warum ist es bei denen so schnell gegangen, also bei den bereits zugelassenen COVID-Impfstoffen? Normalerweise dauert das doch viel länger?

Das kommt immer drauf an. Die Zulassung selbst kann schnell gehen, was oft lang dauert, ist die ganze Entwicklung – bis man die Daten aus Phase 3 hat und so weiter. Und das ging in dem Fall relativ schnell, das hatte viele Gründe. Einer der Gründe war, dass wahnsinnig viel Geld zur Entwicklung da war. Das ist normalerweise nicht der Fall, das verzögert alles, weil man einfach nicht das Kapital hat. Man muss sich vorstellen, dass Milliarden von Euros verwendet wurden, um diese Impfstoffe zu entwickeln. Teilweise muss man auch sagen, die amerikanische Regierung hat das hier mit der „Operation Warp Speed“ unterstützt. Die haben einfach Geld reingepumpt, und die Firmen hatten teilweise überhaupt kein Risiko, weil sie das Geld für die Entwicklung ohnehin bekommen haben. Normalerweise trägt man da ein hohes Risiko und macht das alles viel langsamer. Die andere Geschichte: Oft, wenn man so einen Impfstoff testet, gibt es nicht viele Fälle – oder die tauchen nur sporadisch auf. Zum Beispiel beim Chikungunya-Impfstoff, der gerade entwickelt wird. Da hat man mit den Phase-3-Studien Probleme, weil man nicht weiß, wo man die machen soll – das zieht sich über Jahre. Bei Corona war das überhaupt nicht der Fall, weil es so viele Fälle gab. Da konnte man innerhalb kurzer Zeit feststellen, ob der Impfstoff wirkt oder nicht. Und natürlich die Zulassungsbehörden – das ist ein bürokratischer Prozess, der normalerweise auch langsam ist. Aber die haben natürlich auch verstanden: Wir sind in einer Pandemie, das muss priorisiert werden. Normalerweise arbeiten die vielleicht nicht 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche – aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das diesmal der Fall war. Die haben alles gegeben, um das so schnell wie möglich durchzusehen und zu prüfen. Also grundsätzlich dauert’s normalerweise länger, aber wenn die Geldmittel da sind und der Wille, es schnell zu machen, dann kann man’s auch schnell machen.

Ich komme zu den mRNA-Impfstoffen. Man liest ja immer wieder, dass mRNA-Impfstoffe unfruchtbar machen könnten. Stimmt das? Und gleich meine zweite Frage: Kann der Impfstoff meine DNA verändern?

Okay, das sind zwei leichte Fragen. Also nein, der Impfstoff macht nicht unfruchtbar. Und das Lustige ist: Dieses Argument taucht immer wieder auf. Das kam auch beim Polio-Impfstoff vor – das war ein Argument, das in Teilen Afrikas und Asiens umgegangen ist, als man versucht hat, Polio auszurotten. Das ist ein Standardgerücht, das bei jedem Impfstoff auftaucht. Aber das passiert nicht. Da gibt es sehr schöne Daten dazu, und die hatte man auch schon ganz früh. Man kann sich vorstellen: Wenn man bei einer Impfstoffstudie mitmacht, muss man verhüten. Aber bei 30.000 bis 40.000 Leuten in einer Studie wird immer wer schwanger. Und das ist natürlich passiert. Da hatte man aus den Phase-3-Studien schon Daten, die gezeigt haben, dass die Schwangerschaften in der Placebo-Gruppe genauso passiert sind wie in der Impfstoffgruppe – in gleicher Häufigkeit, mit gleichen Komplikationen bzw. eben ohne. Und mittlerweile gibt es wirklich große Studien, die sich das bei allen in Europa zugelassenen Impfstoffen angeschaut haben – und da gibt’s überhaupt kein Problem. Es gäbe auch keinen biologischen Grund dafür. Aber natürlich, wenn so ein Gerücht aufkommt, muss man das genau prüfen und entkräften.

Das wäre jetzt nämlich meine nächste Frage gewesen: Wäre es theoretisch überhaupt möglich – weil sich das Gerücht so hartnäckig hält?

Nein. Es gibt keinen plausiblen biologischen Mechanismus dafür. Was die Veränderung der DNA betrifft: Nein. Das ist ein mRNA-Impfstoff. mRNA ist die Messenger-RNA oder Boten-RNA – das verwenden unsere Zellen, um Informationen für Proteine aus dem Zellkern ins Zytoplasma zu bringen. Wenn Sie Sich eine Zelle vorstellen: Da gibt's einen Zellkern, da sitzt das Genom und das ist von einer Hülle umgeben und dann gibt es das, wie wir das nennen, Zytoplasma. Da werden die Proteine hergestellt und auf der DNA sitzt eben die Information, für wie man Proteine herstellt. Und die muss jetzt aus dem Zellkern raus ins Zytoplasma, damit man die Proteine auch herstellen kann. Und was der Körper da macht, da wird eben die DNA, das Genom - das ist riesig - und da werden kleine Teile davon umgeschrieben in RNA in diese MRNA und die werden dann aus diesem Zellkern ausgeschleust. Da sind kleine Poren drinnen. Und dann kann die Zelle Proteine herstellen. Das ist lebenswichtig, in jeder ihrer Zellen sitzen momentan - die sind vollgepackt mit MRNA und was man jetzt bei diesen MRNA Impfstoffen macht ist, man stellt eine spezifische MRNA, die für das Oberflächenprotein vom  SARS Coronavirus 2 kodiert, stellt man biochemisch her mit einem ähnlichen Enzym wird das die Zelle macht. Das verpackt man Fettpartikel das wird geimpft, das wird dann von Zellen auch genommen und das geht gar nicht in den Zellkern rein, wo aas Genom oder die DNA sitzt. Sondern das geht ins Zytoplasma, wo eben diese kleinen Maschinen sitzen,  die Proteine herstellen. Die erkennen das und stellen das dann her. Und es ist wichtig, auch zu wissen, dass das eine Einwegstraße ist, vom Zellkern ins Zytoplasma,  in die andere Richtung geht es nicht. Also da braucht man sich überhaupt keine Sorgen machen, dass es da zu einer Veränderung der DNA kommt.

Das heißt, die mRNA aus der Impfung und meine DNA – die kommen gar nie zusammen?

Nein. Und selbst wenn sie zusammenkommen würden, hätte das keine Konsequenzen.

Ich hätte noch eine Frage zur Schutzwirkung der Impfung. Und zwar hat es am Anfang geheißen, die Impfung schützt uns wahrscheinlich langfristig. Ich hab mir auch gedacht: Zwei Stiche, dann ist das erledigt. Mittlerweile bin ich dreimal geimpft und man liest schon von der vierten Impfung. Müssen wir jetzt alle paar Monate impfen gehen?

Grundsätzlich ist es so: Ich glaube, wenn sich das Virus nicht verändert hätte, wäre der Impfschutz von den zwei anfänglichen Impfungen noch da und wir müssten uns keine Sorgen machen. Wie gesagt, bei Delta war es schwierig, weil das Virus einfach viel infektiöser war und die Viruslast, die man hatte, höher war – und das hat leider den Impfschutz untergraben. Gerade für bestimmte Bevölkerungsgruppen wurde es notwendig, sich ein drittes Mal impfen zu lassen. Jetzt, bei Omikron, hat sich das Virus so stark verändert, dass die dritte Impfung eigentlich für jeden empfehlenswert ist, weil sie den Schutz vor einer Infektion mit Omikron wieder erhöht. Ich glaube, das hat weniger damit zu tun, dass der Impfschutz oder das Immunsystem nachlassen, sondern mehr damit, dass sich das Virus verändert hat. Das ist jetzt nicht so, dass  die ursprüngliche Impfung nicht mehr funktionieren wird, das ist einfach so, dass die Viren den Impfschutz untergraben. Wir sehen das bei Influenza, wo jährlich geimpft werden muss, da ist die Situation noch komplexer, da haben wir vier verschiedene Influenzaviren, die sich jedes Jahr veränderen. Was ich mir vorstellen kann, ich glaub nicht und das ist jetzt Spekulation, dass wir wie bei Influenza jährlich eine Covid-19-Impfung brauchen, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass man alle paar Jahre Auffrischungsimpfungen brauchen wie bei FSME zum Beispiel. Beziehungsweise dass man eine braucht, wenn eine neue Variante auftaucht, von der man sie schützen muss. Also das kann ich mir vorstellen, aber es ist nicht so, dass jetzt die die zwei Impfungen, die man am Anfang bekommen hat, nicht mehr wirken. Das Virus ist uns davon gelaufen, leider.

Wird es dann irgendwann gefährlich, wenn wir theoretisch alle paar Monate impfen gehen müssten?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Soll ich mich dann auch ein drittes Mal impfen lassen, wenn ich noch genug Antikörper hab und genesen bin?

Was wir jetzt sehen, ist, dass der Schutz bei Leuten, die genesen sind und dann geimpft wurden – was die neutralisierenden Antikörper gegen Omikron betrifft – eigentlich gleich gut ist wie bei Personen, die dreimal geimpft wurden. Eine dritte Impfung, also eine Booster-Dosis, bei Personen, die sich infiziert haben und dann geimpft wurden, kann man machen. Aber ich glaube nicht, dass das jetzt die höchste Priorität hat.

Hat die Impfung Einfluss auf die Tests, also zum Beispiel auf einen Antigen-Test oder auf einen PCR-Test?

Die Impfung selbst nicht. Mit einem PCR-Test kann man sie nicht detektieren – wir haben das sogar ausprobiert. Wir haben versucht, den Impfstoff mit dem PCR-Test zu detektieren. Was die Antigen-Tests betrifft: Die würden auch nicht anschlagen, weil man die Impfung in den Arm bekommt und der Antigen-Test über die Nase oder gelegentlich über den Rachen gemacht wird – das kommt dort gar nicht hin. Also das hat keinen Einfluss.

Das heißt, mein Test ist nicht positiv, wenn ich gestern impfen war?

Nein.

Kommen wir noch kurz zu Long Covid. Wirkt sich die Impfung auf Long Covid aus oder kann ich von der Impfung auch Long Covid bekommen? Und vielleicht können Sie uns auch noch ein bisschen erzählen, was Long Covid überhaupt ist bzw. was man dazu bisher weiß.

Ja, das sind gute Fragen. Teilweise gibt es da noch keine Antworten. Grundsätzlich: Von der Impfung bekommen Sie kein Long Covid. Wenn Sie geimpft sind und die Impfung eine Infektion verhindert, dann verhindert sie natürlich auch Long Covid. Es gibt Daten, dass die Impfung – auch wenn es zu Durchbruchinfektionen kommt – das Risiko von Long Covid reduziert, aber nicht komplett ausschließt. Was ist Long Covid? Es gibt keine einheitliche Definition. Das sind einfach Symptome, die entweder nach der ursprünglichen Infektion bestehen bleiben – zum Beispiel Kurzatmigkeit, dass man nicht mehr das ganze Lungenvolumen hat, dass man müde ist. Dann kommen noch andere Symptome dazu, wie z. B. dass man nichts mehr riecht oder schmeckt – und das kann auch sein, dass das nie oder sehr lange nicht zurückkommt. Was man auch oft hört: Leute haben Probleme beim Denken – auf Englisch nennt man das „brain fog“ – also Konzentrationsprobleme. Das sind Dinge, die nach der Infektion oft eine Zeit lang anhalten. Manchmal gehen sie nach Wochen oder Monaten wieder weg, aber sie können auch wirklich über Monate oder sogar Jahre bestehen bleiben. Das sind unterschiedliche Symptome, die man unter dem Begriff Long Covid zusammenfasst. Es kann durchaus sein, dass verschiedene Symptome unterschiedliche Ursachen haben. Wenn man zum Beispiel Atembeschwerden hat, liegt das meist daran, dass die Lunge stark angegriffen wurde. Was die Gedächtnisschwierigkeiten oder Konzentrationsschwierigkeiten betrifft, das ist wahrscheinlich eine anderer Mechanismus, über den wir nicht bescheiden wissen. Aber das kann passieren und das tritt teilweise, da gibt es unterschiedliche Zahlen dazu aus unterschiedlichen Studien, aber das kann doch nach einer leichten Infektion auftreten. Und wie gesagt, das kann sehr lange anhalten und das ist natürlich ein Problem, vor allem wenn es so schwer ist, dass Leute nicht mehr arbeiten können. Das ist eben etwas, was bei einem gewissen Prozentsatz der Infektionenen passiert. Wie gesagt, es kommt auf die Studie drauf an, aber da reden wir irgendwie von zwischen 2%. und 20% der Leute, die sich infiziert haben.

Das heißt, die Infektion mit dem Coronavirus kann durchaus Langzeitfolgen haben. Hat denn die Impfung Langzeitfolgen?

Nein, eigentlich nicht. Es kann zu sehr seltenen schweren Nebenwirkungen kommen – und das kann man dann als Langzeitfolge sehen, z. B. wenn man eine Thrombose hat und im Krankenhaus landet. Aber das ist extrem selten. Andere Langzeitfolgen sind eigentlich nicht bekannt.

Stimmt es, dass Menschen nach der Impfung gestorben sind?

Das ist eine gute Frage. Am Anfang gab es da medialen Aufschrei aus Norwegen – da hat man gesehen: Leute wurden geimpft und sind dann gestorben. Das war in einem Altersheim. Als man dann geschaut hat, wie viele Leute dort normalerweise sterben, und das normalisiert hat – da kommen wir wieder zur Placebo-Kontrolle zurück –, hat man festgestellt: Das war ganz normal, das waren Zufälle. Wenn man sehr viele Leute impft, passiert es einfach, dass jemand am nächsten Tag stirbt – aus irgendeinem Grund, der nichts mit der Impfung zu tun hat. Wenn es ein Autounfall ist, ist das offensichtlich. Wenn aber jemand an einem Herzinfarkt stirbt, ist das nicht so offensichtlich. Da muss man dann genau hinschauen. Bei den Vektorimpfstoffen wissen wir, dass es zu thrombotischen Ereignissen kommen kann, die lebensbedrohlich sind und bei denen auch Menschen gestorben sind – aber das ist extrem selten. Im Prinzip kann man sagen: Ja, es sind Menschen nach der Impfung gestorben – zum Beispiel wegen Thrombosen – aber es ist extrem selten.

Und das heißt, es wird dann auch angeschaut, ob derjenige wegen der Impfung gestorben ist oder ob das eine andere Ursache hatte?

Ja, da gibt es unterschiedliche Systeme. Erstens schaut man, ob ein Zusammenhang besteht. Wenn jemand wirklich sterben würde nach der Impfung, gibt es auch eine Obduktion – da wird untersucht, ob ein plausibler Zusammenhang besteht. Es gibt auch ein System, in dem Nebenwirkungen gemeldet werden – nicht nur schwere, man kann grundsätzlich alle melden. Das wird europaweit zusammengefasst. Wie gesagt: Diese thrombotischen Ereignisse sind sehr selten, da muss man in vielen Regionen Daten sammeln, um überhaupt einen Zusammenhang feststellen zu können.

Die COVID-Impfung ist ja nicht die erste Impfung. In der Geschichte gab es ja Impfungen, die Krankheiten wirklich ausgerottet haben. Jetzt kann die COVID-Schutzimpfung die Krankheit nicht ausrotten. Was spricht denn jetzt – zusammengefasst – trotzdem für die Impfung?

Ganz viel. Erstens der Selbstschutz: Bei Varianten vor Omikron hatten wir einen sehr guten Schutz gegen Infektion und einen wahnsinnig guten Schutz gegen schwere Verläufe. Der Schutz gegen schwere Erkrankungen besteht bei Omikron nach wie vor. Nach einer dritten Impfung gibt es auch einen gewissen Schutz gegen Infektionen, wenn auch vermindert. Das ist der erste Punkt, der für die Impfung spricht. Der zweite Punkt ist: Wenn ich geimpft bin und mich nicht infiziere, kann ich das Virus auch nicht weitergeben – das heißt, ich gefährde andere nicht. Und auch das ist ein wichtiger Punkt. Nach der dritten Impfung gibt es nach wie vor Schutz vor Infektion – wenn ich mich nicht infiziere, stecke ich niemanden an. Das ist der zweite wichtige Punkt.

Und was spricht gegen die Impfung?

Meiner Meinung nach eigentlich gar nichts.

Kommen wir schon zum Ende dieser Folge. Eine Zusammenfassung wird es auch diesmal wieder auf gesundinformiert.at geben. Die letzte Frage an unseren Gast: Was ist denn Ihr persönlicher Tipp für ein gesundes Leben?

Ja, das habe ich das letzte Mal schon versucht zu beantworten. Das ist schwierig, ich habe keine richtige Antwort darauf. Ich versuche es mit Sport und gesundem Essen – gelingt leider nicht immer.

Okay, ich glaube, da geht’s uns allen gleich. Lieber Herr Dr. Krammer, danke, dass Sie sich heute die Zeit genommen haben und unsere Fragen beantwortet haben. Wir hoffen, diese Folge hat dir zu Hause gefallen und du bist auch das nächste Mal wieder dabei. Wenn du mehr zum Thema Gesundheit wissen willst oder den Podcast nachhören möchtest, dann schau auf unsere Webseite gesund-informiert.at. Wenn du Themen für uns hast, die dich interessieren, dann schreib uns unter gesundinformiert@gfstmk.at.

Wir freuen uns schon auf ein Wiederhören. Bis dahin – bleib gesund und informiert. Baba, Bianca und Anja von „Gesund informiert“ – deinem Podcast, der Gesundheit verständlich macht.